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13. Juni 2011 / 00:24 Uhr

Wiens Türken hätten Erdogan gewählt

ErdoganDie Parlamentswahlen in der Türkei bringen nicht allzu viel Veränderung. Die AKP von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan kann ihre ohnehin dominante Stellung leicht ausbauen und erringt rund die Hälfte der Stimmen – auf Grund der hohen Zehn-Prozent-Hürde ergibt das weit mehr als die Hälfte der Mandate, an die  erhoffte Zweidrittelmehrheit kam die AKP allerdings nicht heran. Unter den Wiener Türken wäre das hingegen möglich gewesen.

 

Erdogan

Wiens Türken stehen voll hinter Erdogan – oder hinter den Grauen Wölfen.
Foto: openDemocracy / flickr

„WIEN wählt ERDOGAN“ – Das ist der Titel einer Reportage des Migrantenmagazins „biber“, deren Erkenntnisse die jungen linken Blattmacher einigermaßen entsetzten. Von 16 in Wien lebenden Türken, die sich befragen und abbilden ließen, wählen elf Erdogans Islamisten, vier die ultranationalistischen Grauen Wölfe. Die Parallelgesellschaft lässt grüßen.

Nur in der Türkei darf gewählt werden – keine Briefwahl

Vorweg muss einschränkend festgehalten werden, dass die in Österreich lebenden türkischen Staatsbürger (und die zahlreichen De-facto-Doppelstaatsbürger mit österreichischem Pass und türkischem Personalausweis) zwar in der Türkei wahlberechtigt sind, es aber keine Briefwahl wie bei uns für die Auslandsösterreicher gibt. Die meisten der Befragten werden nicht eigens wegen der Wahl am 12. Juni in die Türkei reisen und somit keine Stimme abgeben. Umfragen wie jene von „biber“ könnten Erdogan und seine Partei AKP aber zur Einführung eines Briefwahlrechts animieren.

Die AKP-Sympathisanten beiderlei Geschlechts und jeden Alters preisen den wirtschaftlichen Aufschwung der Türkei (der allerdings unerwähnter Weise auf Istanbul und die Ränder einiger Großstädte sowie auf wahnwitzige Staudammprojekte beschränkt  ist und durchaus auch auf EU-Geldern beruht). Den derzeit alles niederwalzenden Lauf der AKP kann man an der 28-jährigen Gülnür ablesen, die mit offenem Haar und schickem, schulterfreiem Top kundtut, dass ihr die Grauen Wölfe zu rassistisch seien, weshalb sie AKP wählen würde. Offenbar kommt ihr gar nicht in den Sinn, dass es noch andere Möglichkeiten gäbe. Gut dazu passt Deniz, der als einziger bekennt, früher die kemalistische CHP, derzeit größte Oppositionspartei und einst von Staatsgründer Atatürk höchstpersönlich gegründet, gewählt zu haben. Diese (links-nationalistische) Partei sei aber so wie alle anderen in der Türkei nicht mehr wählbar.

Gegen Kopftuchverbut und Toleranz gegenüber Kurden

Wenn AKP-Anhänger überhaupt Kritikwürdiges an Regierungschef Erdogan entdecken, dann, dass er endlich das in manchen Schulen noch bestehende Kopftuchverbot gesetzlich aufheben soll. Von den vier Wählern der MHP, also der Grauen Wölfe, zeigen sich zwei wütend, weil Erdogan gegenüber den unterdrückten Kurden viel zu weich sei. Ein eher unpolitisch wirkendes Mädchen meint „Ich halte zur MHP, alle in Trabzon tun das.“ (Trabzon ist eine große Hafenstadt in der Nationalisten-Hochburg Schwarzmeerküste.)

Links in Österreich, rechts in der Türkei

Die türkischstämmige Grün-Nationalrätin Alev Korun zeigt sich im Interview über die starke Tendenz zu Erdogan enttäuscht. Die „biber“-Bloggerin Diren grübelt abschließend über das Phänomen, warum Türken in Österreich links wählen und in der Türkei rechts. Sie analysiert das so: In Österreich fühle sich der Türke als schutzbedürftiger „Kanake“ und wähle daher „die Arbeiterpartei“. Für die Türkei klinge das anders: „Türke sein, ist Beste wo´s gibt, Oida! Wenn ein Türke redet, hat der Rest zuzuhören. Die Türkei ist das mächtigste Land auf Erden. Eine Wirtschaftsmacht. Türken sind alle Helden. Alle Völker schauen zur Türkei auf. MHP-FOREVER!“

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