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9. Jänner 2010 / 14:27 Uhr

Christenverfolgung in Ägypten seit Jahrzehnten staatlich geduldet

In Ägypten kommt es zuletzt zu vermehrten Auseinandersetzungen zwischen radikalen Moslems und Angehörigen der koptisch-christlichen Minderheit. Auslöser war ein feiger Anschlag auf die Besucher der koptisch-orthodoxen Weihnachtsmesse mit acht Toten. Das Attentat zeigt einmal mehr die große Intoleranz, die Angehörigen anderer Religionen in islamischen Staaten entgegenschlägt. Dabei handelt es sich um keinen Einzelfall, sondern im Fall der Kopten in Ägypten um einen schon jahrzehntelange Geschichte der Unterdrückung.

Die Kopten sind die indigene christliche Bevölkerung Ägyptens. Bereits im 1. Jahrhundert wurde ihre Kirche vom Evangelisten und Apostel Markus gegründet, als dieser in Ägypten missionierte und das Christentum verbreitete. Er gilt somit als Gründer und erster Papst der koptisch-orthodoxen Kirche In der römischen, byzantinischen, und frühislamischen Zeit wurde die Bezeichnung „Kopte“ noch ohne Religionszugehörigkeit gebraucht und galt für alle Einwohner Ägyptens – die Nachkommen der alten Ägypter. Erst durch die arabische Eroberung und die parallel einhergegangene Islamisierung des Landes im 7. Jahrhundert wird der Name nur noch für die Christen der koptischen Kirche verwendet.

Während vor dem Siegeszug des Islam Christen die dominierende Religion waren, änderte sich dies im Laufe der Geschichte bedeutend. Bereits im Jahre 706 wurde die koptische Sprache durch die arabische Sprache ersetzt. Heute ist Ägypten der Verfassung nach ein islamischer Staat mit dem Islam als Staatsreligion und einer teilweise auf der Scharia basierenden Rechtsprechung. Zwar sind Kopten verfassungsmäßig gleichberechtigte Bürger der Arabischen Republik Ägypten, in der Realität erfahren sie aber oftmals das Schicksal einer religiösen Minderheit.

Den Kopten wird nur selten der Zugang zu höheren Staatsämtern gewährt, obwohl sie in der freien Wirtschaft und in selbständigen Berufen als besonders erfolgreich gelten. Rund 25 Prozent von ihnen üben hohe gesellschaftliche Positionen als Ärzte, Rechtsanwälte oder Apotheker aus. 1961 besaßen Kopten rund 75 Prozent des Transportgewerbes, 51 Prozent der Banken, 44 Prozent der Industrie und 34 Prozent der Landwirtschaften. Das schürte den Neid der muslimischen Mehrheitsbevölkerung, die Diskriminierung aufgrund einer Stillhalte-Politik der ägyptischen Regierung offen ausleben können. Anstatt das verfassungsmäßig gewährte Recht auf Religionsfreiheit durchzusetzen und für ein tolerantes Klima zwischen den religiösen Gruppen einzutreten, beugt sich die Politik dem Druck radikaler Muslime, insbesondere der anwachsenden Muslimbruderschaft und Ausläufern des Terrornetzwerkes Al-Qaida. Ein Umstand, der von der freiheitlichen Nationalratsabgeordneten Susanne Winter heftig kritisiert wird. Sie fordert die ägyptische Regierung auf, sich vom Stuhl im Publikum zu erheben und der religiösen Intoleranz vieler Muslime durch politische Maßnahmen zu begegnen. Mittlerweile wurden 3 mutmaßliche Attentäter vom Mittwoch festgenommen.

Seit den Achtziger Jahren mehrt sich die Gewalt gegen die christliche Minderheit dramatisch. Koptische Frauen und Mädchen werden entführt und zwangsislamisiert. Im Jahr 2000 wurden bei einem der bisher schwersten Anschläge auf Kopten im südägyptischen Dorf El-Kosheh 21 Menschen getötet und 65 Geschäfte und Wohnungen verwüstet. In der 2003 geführten Berufungsverhandlung zu diesem Massaker wurden von 95 beschuldigten Islamisten 93 freigesprochen. Vergeblich hatten die Kopten nach dem Scheitern des ersten Gerichtsverfahrens auf Gerechtigkeit gehofft. Durch schlampige Ermittlungen der Polizei und parteiische Justizbeamte blieb der Großteil der Täter straflos.

Probleme gibt es nicht nur bei der Errichtung und Renovierung von Kirchen. Während eines Überfalls auf das aus dem 4. Jahrhundert stammende Abu-Fana-Kloster im oberägyptischen Ort El-Minya, eines der ältesten Klöster weltweit, wurden drei Mönche von mindestens 60 bewaffneten Muslimen entführt und gefoltert. Sie wurden gezwungen, ihrer Religion abzuschwören und das Kreuz zu bespucken. Als sie sich dazu weigerten, wurden sie auf Bäumen aufgehängt und geschlagen.

Unzählige weitere gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Muslimen und Kopten erzeugen ein gefährliches Klima des Hasses. Auch der jüngste Anschlag auf koptisch-orthodoxe Christen nach einer Weihnachtsliturgie in der Kirche von Nag Hammadi, 130 Kilometer nördlich der bekannten ägyptischen Touristenmetropole Luxor, ist ein weiterer trauriger Eskalationsschritt im religiös motivierten Feldzug gegen die älteste christliche Glaubensgemeinschaft. In den letzten Jahrzehnten verließen deshalb 1.5 Millionen Kopten ihr Heimatland. Die christliche Minderheit wird inzwischen auf nicht einmal mehr 10 Prozent der Gesamtbevölkerung geschätzt.

Durch die gesamte Geschichte hindurch bis heute kam und kommt es immer wieder zu Christenverfolgungen in Ägypten. Diese Unterdrückungen zu ertragen bedeutet für die koptische Gemeinde „das Kreuz Christi zu tragen“. Sie nennen sich aus diesem Grund die „Kirche der Märtyrer“.

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