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11. Jänner 2010 / 10:06 Uhr

FMA schützt Bankengeschäft und verbietet private Kreditplattform

Was haben eLolly, Smava und Prosper gemeinsam? Nein, es sind weder brandneue Waschmittel im Supermarktregal noch ultramoderne Unterhaltungsgeräte fürs Wohnzimmer. Diese drei seltsam anmutenden Dinge benennen die weltweit führenden Onlineplattformen, auf denen Kredite von Privat zu Privat vermittelt werden. Beim so genannten „Social lending“ borgen sich Menschen untereinander Geld aus und umgehen dabei das klassische Bankensystem. Ein erster zarter Versuch, eine derartige Plattform in Österreich zu etablieren, wurde jäh gestoppt. Die Finanzmarktaufsicht untersagt den Betrieb, weil Konzessionen fehlen – die nach Meinung des Betreibers gar nicht benötigt werden.

Im Detail funktioniert es so: Max Mustermann hat sich bei einer Hausbaumesse über die solare Stromerzeugung informiert und will nun eine solche Photovoltaikanlage auf dem Dach seines Einfamilienhauses anbringen, da sie nicht nur die Hälfte seines Stromverbrauchs liefert, sondern nebenbei auch die Umwelt schont. Leider fehlt dem fleißigen Mechaniker das notwendige Geld für die Anlage. Auch seine Hausbank, bei der Max seit über dreißig Jahren ein Konto führt, will ihm wegen der angespannten Lage am heimischen Arbeitsmarkt und der unsicheren Entwicklung am Finanzsektor nur einen Kredit mit außerordentlich hohen Zinsen gewähren. Das kann und will er sich nicht leisten. Schon knapp vor der Resignation über seinen womöglich geplatzten Traum einer umweltfreundlichen Stromerzeugung am eigenen Hausdach, setzt sich Max vor seinen Computer und durchstreift das weltweite Netz nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten. Durch Zufall entdeckt er eine Internetseite, auf der Privatpersonen Kredite für unterschiedliche Vorhaben mit zuvor ausgehandelten Konditionen von Privatpersonen aufnehmen können. Er ist sofort begeistert, da er nicht nur die Höhe des Kredites festlegen kann, sondern auch die Zinshöhe im Monat. Genau das richtige für die angespannte Haushaltskassa. Im zweiten Schritt folgen Angaben zum Arbeitsverhältnis, zum Nettoeinkommen und der monatlichen Ausgabenhöhe. Nachdem der gelernte Mechaniker seine persönlichen Daten ausgefüllt hat, bekommt er die Anmeldeunterlagen, die er mit einer Kopie des Personalausweises und seines Einkommensnachweises an die Plattform zurückschickt. Diese prüft nun in Kooperation mit einer Bank die Bonität des Kreditsuchenden und veröffentlicht die Bonitätsstufe auf dem öffentlichen Profil des Kreditsuchenden, der dort aus Datenschutzgründen freilich nur mit einem Pseudonym aufscheint.

Geld kommt von mehreren Investoren

Nicht lange dauert es bis Max seine 8.500 Euro beisammen hat. Seine gute Projektbeschreibung samt Bild des noch unbebauten Daches hat sich gelohnt. Ganze zwölf Kreditgeber, ebenfalls Privatpersonen, haben sich wenige Tage nach Einstellen an der Investition beteiligt – mit Beträgen zwischen 250 und 2.000 Euro. Nun bekommt er das Geld prompt auf sein Konto überwiesen und die Plattform zieht ab sofort jeden Monat die vereinbarte Rate plus 1 Prozent Provision in Höhe der Kreditsumme per Lastschriftverfahren ab. Der langersehnte Wunsch nach
umweltfreundlicher Stromerzeugung kann endlich in Erfüllung gehen.

Wie Pilze sprießen die „Social-Lending“-Seiten derzeit aus dem Boden. Kein Wunder, denn das Angebot erfreut sich größter Beliebtheit, wie ein Blick auf die angelsächsischen Leihplattformen beweist. Prosper, das im Februar 2006 in den USA startete, hat mehr als 180.000 registrierte Benutzer. Kredite in Höhe von rund 36 Millionen Dollar wurden bereits vergeben. Auch das britische Pendant Zopa wächst unaufhaltsam. Rund 135 000 Briten erledigen dort Kreditgeschäfte ohne Bankeneinfluss. Viele private Schuldner und Gläubiger schwören auf das „Do-it-yourself“-Kreditgeschäft. Bessere Konditionen und mehr Kontrolle über die eigenen Finanzangelegenheiten treiben die Nutzerzahlen weiter voran. Seit Anfang 2007 gibt es solche Dienste auch im deutschsprachigen Raum. Die wachsende Zahl von über 10.000 Anlegern auf der Plattform Smava, mehrfacher Testsieger in einschlägigen Fachmagazinen, hat bisher zu einem Kredittransaktionsvolumen zwischen Privatpersonen von über 16 Millionen Euro geführt.

Auch nach Österreich führt die Spur der Peer-to-Peer-Kredite. Die im Oktober 2009 gestartete Plattform bankless-life vereint derzeit 1.800 Mitglieder mit einem Volumen von etwa 400.000 Euro an vermittelten Krediten. Im Schnitt werden dort 12 bis 13 Prozent Zinsen bezahlt, die durchschnittliche Laufzeit der Kredite beträgt 3 Jahre.

Streit um Konzessionen

Von der Finanzmarktaufsicht wurde die private Kreditvermittlungsplattform im Land nun allerdings verboten. Begündung: Konzessionen zur Vermittlung von Kreditgeschäften, Erbringung des  Girogeschäfts, des Einlagengeschäftes sowie des Zahlungsgeschäftes fehlen ebenso wie Gewerbeberechtigungen zur Kreditvermittlung. Daher wurde die Plattform des Trägervereines „Nick2Nick“ – bis zur Umbenennung auf Wunsch von Karl-Heinz-Böhm auch "von Menschen für Menschen" genannt – nun bis auf Weiteres untersagt.

Nick2Nick geht nun in die Offensive und will gegen den Bescheid der Finanzmarktaufsicht Beschwerden beim Verwaltungsgerichtshof und Verfassungsgerichtshof einbringen. Einerseits sollen laut Betreiber Fristen nicht eingehalten und Protokolle nicht zugeschickt worden sein, andererseits soll geklärt werden, ob die geforderte Konzessionspflicht für den Betrieb dieser Plattform dem Grunde bzw. Inhalt nach erforderlich ist, weil weder Geld angelegt, noch Zinsen gezahlt, sondern lediglich Kredite vermittelt werden.

Tatsache ist, dass die Social-Lending-Plattformen gleich in zwei traditionellen Aufgabengebieten der Banken wildern: Sie vermitteln Kredite und sie bieten eine interessante Alternative für die Geldanlage, zumal die Kreditzinsen naturgemäß den privaten Verleihern zufließen. Dass gerade in Österreich die als überaus bankenfreundlich bekannte Finanzmarktaufsicht einschreiten würde, war vorhersehbar. In anderen Ländern haben Aufsichtsbehörden mit dem System seit Jahren keine Probleme.

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