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3. Juli 2011 / 18:05 Uhr

Deutsche Verfassungsrichter können Milliarden-Transfers stoppen

Am Dienstag müssen die zu allem entschlossenen Euro-Retter in den europäischen Regierungen noch einmal zittern. Das deutsche Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe muss entscheiden, ob der Transfer deutscher Steuermilliarden nach Griechenland überhaupt rechtens ist. Im EU-Vertrag ist das Szenario so jedenfalls nicht vorgesehen.

Wilhelm Hankel

Wilhelm Hankel

Der Wirtschaftswissenschafter Wilhelm Hankel ist
einer aus der Klärgerguppe gegen die Transferzahlungen.
Foto: +ecumenix / flickr (CC BY-NC 2.0)

Der CSU-Politiker Peter Gauweiler sowie eine Gruppe von Professoren haben gegen die Hilfen für Griechenland und den im vergangenen Jahr installierten Rettungsschirm für klamme Euro-Staaten geklagt. Zentrales Argument der Kläger: Die Hilfen verletzten das Grundrecht jedes Bürgers auf Teilhabe an der demokratischen Legitimation. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hängt die Legitimation der Europäischen Union am Zustimmungsgesetz des Bundestags zu den EU-Verträgen. Überschreitet die EU die in diesen Verträgen festgelegten Kompetenzen, dann ist ihr Handeln nicht mehr legitimiert.

"Die Verletzung der europäischen Verträge durch die Rettungsmaßnahmen ist offenkundig", sagt der Staatsrechts-Professor Karl Albrecht Schachtschneider. Er klagt gemeinsam mit den Wirtschaftsexperten Wilhelm Hankel, Joachim Starbatty, Wilhelm Nölling und Dieter Spethmann. "Das Bail-out-Verbot ist verletzt", stellt Schachtschneider trocken fest. Spethmann, früherer Thyssen-Chef, berechnet im Focus den bisher eingetretenen Gesamtschaden durch die Währungsunion für Deutschland auf 2.500 Milliarden Euro.

Ein weiteres Argument der Kläger: Mit den Hilfsmaßnahmen würde eine Art Finanzausgleich eingeführt, die Währungsunion würde zur Haftungsgemeinschaft – und das würde eine Art Bundesstaat aus ihr machen. Damit könnte eine Grenze der europäischen Integration überschritten sein, die das Verfassungsgericht im Urteil zum EU-Vertrag von Lissabon gezogen hatte. Denn auch wenn viele Politiker von einer Wirtschaftsregierung für alle Euro-Staaten träumen, hat das Bundesverfassungsgericht der Integration Grenzen gesetzt. Ein europäischer Bundesstaat wäre unter dem Grundgesetz nicht möglich.

Bundesverfassungsgericht

Bundesverfassungsgericht

Die Richter am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe haben zu prüfen, ob
die EU ihre Kompetenzen aus dem Lissabon-Vertrag überschreitet.
Foto: Al Fed / flickr (CC BY-NC-ND 2.0)

Die Kläger sind also honroige Professoren und Wirtschaftstreibende sowie ein abtrünniger CSU-Abgeordneter. Angeklagt ist die deutsche Bundesregierung, die ihre Zustimmung zu den immer neuen milliardenschweren Euro-Rettungsaktionen verteidigen muss. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) persönlich will das übernehmen – jener Mann, der in zahlreichen Statements der jüngeren Vergangenheit bewies, dass ihn die höchstgerichtlichen Einschränkungen der europäischen Integration wenig kümmern, der sich sogar die Abtretung der Steuerhoheit von Berlin an Brüssel vorstellen kann. Alleine das sollte als Schuldeingeständnis für den Bruch der Gesetze gelten, doch man darf sich von der Karlsruher Richtern nicht zu viel erwarten, auch wenn sie die Finanzspritzen für verfassungswidrig halten.

Spektakuläre Entscheidung des Gerichts unwahrscheinlich

Denn auch in diesem Fall sind die praktischen Möglichkeiten eingeschränkt. Das Geld aus Griechenland zurückholen? Das wird nicht gehen – schon, weil es nicht mehr da ist. Ein komplettes Verbot künftiger Zahlungen wäre zwar denkbar, gilt aber als wenig wahrscheinlich – die geleisteten Zusagen Deutschlands wären hinfällig, die Reaktion der Märkte unkalkulierbar. Als wahrscheinlicher gilt es, dass das Gericht  Auflagen für die Zukunft macht, zum Beispiel für eine bessere Einbindung des Bundestages. Das Gericht, glaubt auch Klägervertreter Schachtschneider, werde "um schonenden Übergang bemüht sein – nicht zu Unrecht".

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