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6. Juli 2011 / 19:08 Uhr

Erwin Pröll spielt Bundespolitik gegen die Regierung

Erwin PröllUngewöhnlich deutliche Worte fand der niederösterreichische ÖVP-Landeshauptmann Erwin Pröll für die „Leistungen“ von SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann als Chef der aktuellen Bundesregierung. In einem Interview mit Prölls „Leib- und Magenblatt“ Niederösterreichische Nachrichten verpasste er Faymann einen „Nachzipf“ für mangelnde Führungsqualitäten in der Bundespolitik. Pröll zitierte eine offensichtlich von der niederösterreichischen ÖVP lancierte Umfrage, wonach zwei Drittel der Befragten mit dem Auftreten der Regierung und dem darin georteten Stillstand unzufrieden sind. In letzter Zeit fällt auf, dass der niederösterreichische Landeshauptmann immer öfter die Funktion des Ersatz-Bundesparteiobmanns in seiner Partei übernimmt, um das Vakuum an der Parteispitze auszufüllen.

Kalkulierte Kritik an Kanzler Faymann

Erwin Pröll

Erwin Pröll

Erwin Pröll verteilt Zeugnisse und will verhindern, dass sein eigenes bei
den nächsten Wahlen von der Bundesregierung verpfuscht wird.
Foto: Jakob Hürner / flickr (CC BY-NC-ND 2.0)

Politische Beobachter rätseln, warum gerade zu diesem Zeitpunkt Pröll die rote Reichshälfte in der SPÖ/ÖVP-Koalitionsregierung unter Feuer nimmt. Pröll – gemeinsam mit dem Wiener SPÖ-Bürgermeister Häupl eigentlich Architekt der Großen Koalition nach 2006 – sieht durch aktuelle Umfragen und die Gesamtstimmung in der Bevölkerung dieses Projekt offensichtlich gescheitert. Dazu kommt die Angst, dass 2013 die Wählerinnen und Wähler noch vor der Nationalratswahl erst einmal bei den Landtagswahlen in Niederösterreich mit der Bundesregierung abrechnen werden. Und dies könnte diesmal auch die erfolgsverwöhnte niederösterreichische Volkspartei treffen.

Abgesehen von regionalpolitisch bedingten Befindlichkeiten beim schwarzen Landeshauptmann bedrückt Pröll offensichtlich vor allem auch der mangelnde Außenauftritt seiner eigenen Bundespartei. So ist sein Ausritt gegen Faymann durchaus auch als Ersatzvornahme für die lahme Bundes-ÖVP zu werten. Im St. Pöltner Landhaus soll man vor allem mit dem Duo Klubobmann  Kopf und Generalsekretär Rauch wenig Freude haben. So traut sich die niederösterreichische ÖVP etwa durchaus zu, auch den Bundesgeneralsekretär zu besetzen, und hätte mit dem Landesgeschäftsführer Gerhard Karner einen Kandidaten in Reserve, dem an Laustärke und Grobheit kaum jemand das Wasser reichen kann. Und auch für die Funktion des Klubobmanns im Nationalrat denkt Pröll im kleinen Kreis über Alternativkandidaten nach. Einzig der föderalistische Ausgleich sichert dem Vorarlberger Kopf und dem Tiroler Rauch noch ihre Positionen.

Vorwahlkampf für Bundespräsidentschaftskandidatur 2015

Abgesehen von den primär parteipolitischen Befindlichkeiten arbeitet Erwin Pröll offensichtlich aber auch an seinem Langzeitziel, sich doch noch als Kandidat für die Bundespräsidentschaftswahl – die nächste ist 2015 – zu präsentieren. Da nicht anzunehmen ist, dass die SPÖ zugunsten eines Koalitionskandidaten Pröll auf einen eigenen Kandidaten verzichten wird, versucht sich Pröll bereits heute als Oppositionskandidat gegen die derzeitige Regierung in Szene zu setzen. Ob die Wähler ihm dies allerdings abnehmen, ist fraglich, ist er doch Konstrukteur und Pate des derzeitigen politischen Stillstandes der Faymann/Spindelegger-Koalition. Und so könnte dies am Wahltags Prölls Wunschtraum, sein politisches Altenteil als „Landeshauptmann von Österreich“ zu verbringen, zerplatzen lassen.

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