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29. Juli 2011 / 09:10 Uhr

Gefangenenaustausch möglicher Hintergrund der Golowatow-Freilassung

LitauenDie Affäre um die Freilassung des russischen Geheimdienst-Generals Michail Golowatow hat die diplomatischen Beziehungen zwischen Österreich und Litauen beinahe zum Erliegen gebracht. Litauen ist in höchstem Maße erzürnt, dass Golowatow trotz eines internationalen Haftbefehls in Wien nur kurz festgehalten wurde und dann – unter Berufung auf formale Mängel des Haftbefehls – wieder nach Russland ausreisen konnte. Während Österreichs Politik die Verantwortung dafür auf die Justiz abschiebt, kamen zuletzt harte Worte von EU-Justizkommissarin Viviane Reding:  "Ich persönlich bin enttäuscht von der österreichischen Vorgehensweise. Die österreichischen Behörden haben sich im Fall Golowatow nicht mit Ruhm bekleckert", sagte Reding im Gegensatz zur Darstellung von Justizministerin Karl, die behauptet hatte, Österreich habe in diesem Fall Rückendeckung von der EU-Kommission.

Litauen

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Österreich ließ den mutmaßlichen Hauptverantwortlichen für den Blutsonntag
von Vilnius ziehen. Hintergrund könnte ein Gefangenenaustausch sein.
Foto: www.kam.lt / Wikimedia

Indessen wird von tschetschenischen Rebellen im Internet ein Gerücht verbreitet, wonach der tatsächliche Hintergrund der prompten Freilassung Golowatows eine Art Gefangenenaustausch gewesen sein könnte: ein Dreiecksgeschäft zwischen Österreich, Russland und Bulgarien. Im Gegenzug für die Freilassung Golowatows soll Österreich einen tschetschenischen Flüchtling zurückbekommen haben, der von Bulgarien nach Russland ausgeliefert werden sollte.

„Die Österreicher haben einen tschetschenischen Flüchtling, Ahmed Tschatajew, zurückbekommen, der auf russischen Haftbefehl festgenommen wurde, im Austausch mit FSB-General Michail Golowatow, oft als Schlächter von Wilna bezeichnet, der wegen eines litauischen Haftbefehls festgehalten wurde“, schreibt  die Propagandaseite der tschetschenischen Rebellen, kavkazcenter.com. Und weiter: „Unsere Quellen schließen nicht aus, dass Österreich eine geheime Vereinbarung mit Russland getroffen hat. […] Wie gerechtfertigt diese inoffiziellen Berichte über den geheimen Gefangenenaustausch auf Kosten Litauens sind, wird vermutlich niemand jemals wissen, denn weder Österreich noch Russland werden jemals einen solchen Austausch zugeben.“

Plötzlicher Sinneswandel der bulgarischen Justiz

Tatsächlich hatte ein bulgarisches Gericht bereits die Auslieferung des Tschetschenen Ahmed Tschatajew (31) nach Russland beschlossen, die Entscheidung wurde jedoch wenige Tage nach der Freilassung Golowatows in Wien aufgehoben. Das Berufungsgericht von Plovdiv entschied, dass Tschataev nicht auszuliefern sei, da er in Österreich Asyl genieße und daher unter dem Schutz der Genfer Konvention und der UN-Flüchtlingskommission von 1951 stehe, welche auch von Bulgarien unterzeichnet wurde. Kavkazcenter.com drückte es so aus: In einem Land anerkannte Flüchtlinge hätten eine Art „extraterritoriale Immunität“ in anderen Ländern.

Gerücht schadet Österreich und auch seinen Urhebern

Wir weisen darauf hin, dass es sich bei alldem um ein unüberprüftes Gerücht handelt, das auch – sollte es der Wahrheit entsprechen – kaum verifiziert werden wird, aus dem genannten Grund der strikten Geheimhaltung durch alle beteiligten Seiten. Auffällig ist jedoch, dass die tschetschenisch-islamistische Propaganda dieses Gerücht in die Welt gesetzt hat, obwohl sie davon selbst keinerlei Nutzen hat. Russland – der Feind der tschetschenischen Rebellen – würde durch diesen Handel in keiner Weise kompromittiert. Dort hatte man die Möglichkeit, entweder einen gesuchten Terroristen oder einen hochdekorierten Offizier zu bekommen und entschied sich für Golowatow. Bulgarien steht nicht sonderlich gut da, müsste man doch annehmen, dass die dortige Justiz am politischen Gängelband hängt und je nach Bedarf in die eine oder andere Richtung entscheidet. Für Österreich ist die Sache indes höchst peinlich, ergäbe sich daraus doch, dass man einen gesuchten Kriegsverbrecher ziehen ließ, um dafür einen ebenfalls als Verbrecher gesuchten Tschetschenen zu schützen. Die Islamisten im Kaukasus müssten jedoch eher versuchen, es sich mit Österreich gut zu stellen, werden hier doch weitaus die meisten ihrer Aktivisten mit politischem Asyl ausgestattet und können von Österreich weiter ihr Werk gegen den russischen Staat betreiben – so wie auch Ahmed Tschatajew, der seit seiner Anerkennung als Flüchtling sehr aktiv war, und zwar in ganz Europa.

Lesen Sie weiter: Die weiten Reisen des Flüchtlings Tschatajew

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