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27. Jänner 2010 / 09:32 Uhr

Arndt hält erstem Angriff der Bilderstürmer stand

In der vorpommerschen Hansestadt Greifswald haben einige Weltverbesserer die Initiative zur Umbenennung der „Ernst-Moritz-Arndt-Universität“ in „Universität Greifswald“ gestartet, weil „Arndt ein Antisemit und Vorläufer des Nationalsozialismus“ gewesen und als solcher nicht geeignet als Namenspatron einer Universität sei. Die Initiative hat einen erheblichen Dämpfer erlitten. Eine knappe Mehrheit der Studenten sprach sich bei einer Urabstimmung gegen die Umbenennung aus. Wie bei solch unliebsamen Ergebnissen üblich, spricht man jetzt von  Unentschieden und keinem klaren Meinungsbild. Der Uni-Spiegel widmet der Angelegenheit breiten Raum. In nur knapp zwei Zeilen beantwortet er die wesentliche Frage jedoch völlig unzureichend: Wer war Ernst Moritz Arndt?

Sein Vater Ludwig Nikolaus Arndt, Sohn eines Schäfers, kauft sich im März 1769 mit 80 Talern aus der Leibeigenschaft frei; im Dezember des gleichen Jahres wird Ernst Moritz Arndt geboren. Der Vater wird schließlich Pächter auf Gütern seines früheren Leibherren auf der Insel Rügen. Dem frei geborenen Sohn ermöglicht er gute Schulbildung und Studium.

Ernst Moritz Arndt, seit 1801 Privatdozent an der Greifswalder Universität, wird wegen seiner 1803 veröffentlichten Schrift gegen die noch immer bestehende Leibeigenschaft von adeligen Grundbesitzern verklagt; 1806 hebt aber der schwedische König Gustav IV Adolf auch aufgrund dieser Schrift die Leibeigenschaft in Vorpommern auf. In seinen Diensten übersetzt er auch das schwedische Gesetzbuch, um es in Schwedisch-Pommern einzuführen. Arrndt ist ein vehementer Verfechter einer konstitutionellen Monarchie, einer geschriebener Verfassung und eines gewählten Parlaments.

Arndt war deutscher Patriot, das heißt, er hat sich einerseits massiv gegen die Besatzung durch französische Truppen und die Einsetzung Napoleonischer Satrapen als Herrscher in Deutschland ausgesprochen, andererseits auch für die deutsche Einigung, die Überwindung der Kleinstaaten der regionalen Fürsten und Könige durch ein erneuertes Deutsches Reich. Bis zur endgültigen Niederlage Napoleons war er wohlgelitten als Agitator in den Franzosen­kriegen, danach jedoch wurde er in der Restaurationszeit wegen seiner Schriften zur Einführung einer Verfassung als „Demagoge“ verfolgt und verlor schließlich die Lehrbefugnis. Erst 1840 rehabilitiert wurde er Mitglied des ersten deutschen Parlaments in der Paulskirche.

Heute wird ihm weniger der „Franzosenhass“ vorgeworfen, da dieser als Reaktion auf die Napoleonischen Kriegen noch verständlich sei, als vielmehr sein Antisemitismus. Doch auch dazu sollte man das historische Umfeld beachten: Kurz vorher war erst mit dem Toleranzpatent Josefs II die „Judenbefreiung“ erfolgt. Mitteleuropa war dadurch Ziel vieler Juden aus Osteuropa und Russland geworden, die vor den dortigen Progromen flüchteten. „Der Jude“ war damals ein Synonym für Geldverleiher bzw. Wucherer, mit dem viele Studenten, gerade aus ärmeren Schichten, ihre negativen Erfahrungen hatten. Der aufkommende Kapitalismus, begann das neue städtische Proletariat auszubeuten. Arndt sah hierin zu Recht auch eine Gefahr der Internationalisierung, die seinem Ziel der deutschen Einigung entgegenstehen könnte.

Arndts Leistungswille, sein Aufstieg aus kleinen Verhältnissen zu einem der berühmtesten Professoren Deutschlands sowie sein steter Einsatz sowohl für die „kleinen Leute“ als auch für einen Verfassungsstaat sollten wohl genügen um ihn, trotz zeitbedingter – aus heutiger Sicht nicht gutzuheißender – Ansichten, als Vorbild der akademischen Jugend zu präsentieren.

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