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1. Oktober 2011 / 11:56 Uhr

Von Rom bis Russland: Staatsbankrotte in der Geschichte

KolosseumWie ein Schreckgespenst geistert die Angst vor Staatsbankrotten inzwischen durch die Welt, das Undenkbare könnte plötzlich Realität werden. Ein Blick in die Geschichte zeigt aber, wie häufig, fast schon alltäglich Staatsbankrotte sind. Seit der Antike kommt es regelmäßig zu Zahlungsausfällen von Staaten. Die Auswirkungen sind dabei ganz unterschiedlich; während manche Pleiten wenige Auswirkungen zeigten, entwickelten sich andere zu existenziellen Krisen für die betroffenen Staatswesen. Griechenland war bereits mehrmals von Staatspleiten betroffen, aber auch Österreich wurde davon bisher nicht verschont. Zwei Beispiele aus völlig unterschiedlichen Epochen seien hier angeführt. Weitere historische Vergleiche stellt das aktuelle Unzensuriert-Magazin mit dem Schwerpunktthema Euro-Krise an.

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Das Ende des weströmischen Reiches

Über den Zusammenbruch des römischen Imperiums und seine Ursachen gibt es verschiedenste Theorien, bereits die spätantiken Zeitgenossen setzten sich mit diesem Phänomen auseinander. Die totale Zerrüttung der Staatsfinanzen im Westteil des Reiches ist sicherlich nicht der alleinige Grund, hat aber jedenfalls zu dessen Kollaps beigetragen.

Kolosseum

Kolosseum

Das Kolosseum in Rom symbolsiert die Ursachen der Staatspleite: Es
wurde durch Kriegsbeute finenziert. Am Ende waren die Kriege zu teuer.
Foto: David Iliff / Wikimedia

Im 3. Jahrhundert nach Christus befand sich das Imperium in einer schweren Krise. Während die persischen Sassaniden im Osten das Reich bestürmten, waren es am Rhein, in der Nordsee und an der Donau germanische Stämme, die zum Angriff übergingen. Im Inneren befand sich das Imperium in der Zeit der sogenannten Soldatenkaiser (235 – 284) im Zustand fast stetig andauernder Bürgerkriege. Durch den zeitweiligen Verlust einzelner Provinzen wie Gallien oder Syrien, in denen sich kurzfristige Sonderreiche bildeten, versiegten die Steuereinnahmen aus diesen Gebieten. Der immense Geldbedarf zur Abwehr äußerer Feinde und innerer Rivalen führte zu galoppierender Inflation, da immer minderwertigere Münzen zur Ausrüstung und Besoldung der Heere geprägt wurden.

Die Reichsreformen unter den Kaisern Diocletian und Konstantin, die in der Teilung in Ost- und Westrom endeten, brachten nur vorübergehende Stabilisierungen. Ein wichtiger Faktor, der die Krise des immer mehr bedrängten Westroms verstärkte, war das Versiegen der Zahlungen aus dem wesentlich reicheren Ostrom. Grassierende Korruption und die Weigerung einzelner Bevölkerungsteile, ihre Steuern zu entrichten, verschärften die Finanzkrise zusätzlich. Ohne diesen Finanzausgleich war Westrom ab Beginn des fünften Jahrhunderts immer weniger in der Lage seine – verstärkt nichtrömischen – Soldaten zu besolden und damit seine wichtigste Verbindlichkeit zu befriedigen; Westrom war de facto bankrott. Ostrom mit seinen großen Ressourcen überdauerte den Untergang des Weströmischen Imperiums um immerhin knapp tausend Jahre.

Russland: Zahlungsunfähigkeit in der Folge der Asien-Krise

Am 19. August 1998, zwei Tage nachdem der Rubelkurs freigegeben worden war, erklärte sich Russland für zahlungsunfähig. Die Ursachen der sogenannten Russlandkrise reichen bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion zurück. Ein besonders wichtiges Ziel der russischen Finanzpolitik der 1990er Jahre war die Stabilisierung des Rubels, nachdem 1992 eine Inflation von 2500 Prozent jegliches Vertrauen in die Währung zerstört hatte; Russlands versuchte, dies über ein System fester Wechselkurse zu erreichen.

Jelzin

Jelzin

Unter Jelzin wurden kaum Steuern bezahlt.
Foto: ITAR_TASS / www.kremlin.ru / Wikimedia

Die russische Wirtschaft befand sich dazu weiterhin in einem Prozess der Transformation von Plan- zur Marktwirtschaft, was vielfache Probleme mit sich brachte (und bringt). Es existierte ein großer Bereich der Schattenwirtschaft, in dem nur Dollar oder Güter als Entgelt akzeptiert wurden. Die Steuerzahlungsmoral insbesondere großer Konzerne war miserabel, wobei dies von der Regierung unter Boris Jelzin unterstützt wurde. Im Gegenzug dafür unterstützten die durch die Privatisierung vor allem großer Rohstoff- und Energiekonzerne reich gewordenen Oligarchen die Wahlkämpfe des Präsidenten. Der Anteil der regelmäßigen Steuerzahler an der Gesamtbevölkerung fiel zeitweise auf unter zehn Prozent.

Die Staatsschulden wuchsen dramatisch an, die – eher unrentablen – in Staatshand verbliebenen Unternehmen schrieben fast ausschließlich rote Zahlen. Die von der Asienkrise ausgelöste Kapitalflucht aus Russland dürfte unter diesen Umständen eher der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, denn die Ursache der Russlandkrise gewesen sein. Nach den schlechten Erfahrungen in südostasiatischen Staaten unterzogen viele Investoren ihr Engagement in Schwellenländern besonderer Prüfung, große Summen ausländischen Kapitals wurden aus Russland abgezogen; sowohl die russischen Geschäftsbanken als auch der Rubel gerieten dadurch unter Druck. Weiter angeheizt wurde die Krise durch den Preisverfall des Erdöls und anderer Rohstoffe, was sich für den bedeutenden Rohstoffexporteur negativ auswirkte.

Gleichzeitig mit dem Devisenabfluss stiegen die Zinsen für kurzfristige Staatsanleihen stark, was den angeschlagenen Haushalt weiter belastete. Trotz großer Kredite durch den Weltwährungsfonds und die Weltbank, die allerdings an die Umsetzung eines strikten Sparkurses gekoppelt waren, konnte Russland weder die Abwertung seiner Währung noch den Staatsbankrott verhindern. Das russische Bankensystem brach in Folge der Rubelabwertung fast vollständig zusammen. Erst mit steigenden Rohstoffpreisen zu Beginn des neuen Jahrtausends konnte sich Russlands Wirtschaft wieder erholen. Die Konzentration wirtschaftlicher Macht in den Händen staatlicher Energiekonzerne und einiger weniger Oligarchen wurde durch die Krise weiter befördert.

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