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ORF

29. Oktober 2011 / 23:48 Uhr

Unzensuriert-Autor Robol: Banken führen Politik am Nasenring

BildWährend in Deutschland die Wirtschaftsexperten überwiegend eine andere Linie in Sachen Euro-Rettung vertreten als die herrschende Politik, findet man kritische Geister aus der Praxis in Österreich weniger häufig. Umso deutlicher hat der Wirtschaftsprüfer Günther Robol, ehemaliger Österreich-Chef von PricewaterhouseCoopers, im ORF-Magazin €CO seine Kritik an den vom jüngsten Gipfel beschlossenen Maßnahmen deponiert, vor allem auch Richtung Banken trotz „Schuldenschnitt“ von 50 Prozent,

Günther Robol

Günther Robol

Wirtschaftsprüfer Günther Robol.
Foto: privat

„Die Banken kommen deswegen so ungeschoren davon, weil sie die Politik am Nasenring durch die Manege führen und der Politik vorschreiben was sie zu tun hat“, fasste Robol gegenüber dem ORF die Lage zusammen. „Und daher wird sich das solange nicht ändern, solange die Politik nicht das Zepter wieder in die Hand nimmt und der Finanzwirtschaft die Regeln vorgibt und nicht umgekehrt.“

Robols Kritik knüpft an den Beitrag, den er für das aktuelle Unzensuriert-Magazin mit Schwerpunkt-Thema Euro-Krise geschrieben hat. Auch hier ging es um die Vorrechte der Banken, die auch nach der Lehman-Pleite nicht den versprochenen strengeren Regeln unterworfen worden seien, wie Robol ausführt. Im Gegenteil: Die damals in Windeseile neu erlassenen Internationalen Rechnungslegungsgrundsätze IFRS würden es den Finanzinstituten sogar noch einfacher machen, faule Geschäfte zu verstecken. Jüngstes Beispiel: die plötzlich aufgetauchten verlustträchtigen Engagements der Erste Bank, die aus einer erwarteten Gewinn einen Verlust von fast einer Milliarde Euro werden ließen.

Wie diese neuen Regeln die Banken begünstigen, erklärt Robol im Unzensuriert-Magazin so:

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Die Katastrophe der Finanzkrise 2008 hat den Einsatz von Billionen zur Aufrechterhaltung der Liquidität im Finanzsystem erforderlich gemacht. Doch es hat sich gezeigt, dass trotz dieser massiven Liquiditätsspritzen die Banken Ende 2008 nicht mehr in der Lage gewesen wären, positiv zu bilanzieren ohne auch buchmäßige (bilanzielle) Unterstützung. Daher wurden im Herbst 2008 in aller Eile (mit Rückwirkung auf den 30. 6. 2008!) Bilanzierungsregeln für Banken erlassen, die es ihnen ermöglichten, bereits eingetretene wirtschaftliche Verluste von ihren Vermögens- und Erfolgsrechnungen fernzuhalten.

Bei diesen Regeln (Internationale Rechnungslegungsgrundsätze – IFRS) handelte es sich im wesentlichen um die Möglichkeit, bilanzielle Aktiven nicht zu ihrem (geringeren) Marktwert, sondern zu ihren ursprünglichen Anschaffungskosten oder zu einem Quasi-Marktwert anzusetzen, der auf Basis künftiger Erwartungen von den Banken selbst errechnet wird. Passivposten werden nicht mit ihrem Rückzahlungsbetrag angesetzt, sondern reduziert oder überhaupt nicht, wenn z. B. die Wahrscheinlichkeit einer künftigen Zahlungsverpflichtung mit unter 50 Prozent angenommen wird.

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Versucht man also heute, sich ein „möglichst getreues Bild von der Vermögens- Finanz- und Ertragslage“ einer Bank zu machen, ist eine Analyse des Rechnungsabschlusses dazu wenig hilfreich. Durch die Möglichkeit von sogenannten „Off-Balance-Sheet“-Positionen, also Positionen die nicht in die Bilanz aufgenommen werden müssen, und durch die Möglichkeit der Auslagerung wesentlicher Geschäftsfälle in Zweckgesellschaften oder Regulierungsoasen ist nicht sichergestellt, dass der Rechnungsabschluss alle für die Beurteilung der Bank wesentlichen Positionen enthält.

Viel Spielraum bei Bewertung des Vermögens

Neben den Ansatzproblemen sind die Bewertungsfragen in der heutigen Bilanzierungspraxis der größte Unsicherheitsfaktor. Beispielhaft sollen einige wesentliche Fälle erläutert werden. Wenn in der Aktiva eine Milliardenposition als „Financial Assets Held to Maturity“ ausgewiesen wird, ist zwar der Marktwert dieser Aktiven dem Bilanzierenden bekannt, in die Bilanz wird er aber sehr wahrscheinlich nicht übernommen, sondern diese Aktiven werden zu den ursprünglichen (noch höheren) Anschaffungskosten angesetzt. Wie groß nun der Unterschied zwischen Marktwert und Bilanzansatz ist, kann nicht erkannt werden. Anlagen, Immobilien, immaterielle Wirtschaftsgüter (auch Good-will, Software und Kundenbeziehungen aus Akquisitionen)  sowie Beteiligungen können zu fiktiven Marktwerten, abgeleitet aus der durch den Bilanzierenden erwarteten künftigen  Ertragskraft des entsprechenden Aktivums, angesetzt werden. Dass dies der Bilanzpolitik zur Gestaltung von bilanziellem Ertrag und Vermögen Tür und Tor öffnet, liegt wohl auf der Hand.

Dieselben bilanziellen Möglichkeiten wie bei der Bewertung ihrer veranlagen Vermögenswerte stehen den Banken auch bei den von ihnen vergebenen Krediten zur Verfügung. Ein wesentliches Element der Unsicherheit ist die sogenannte „Vorsorge für Kreditrisiken“. Vorsorge im Sinne von zukünftig wahrscheinlichen Kreditausfällen finden sich in heutigen Bankbilanzen im Allgemeinen nicht mehr. Für Kredite wird „vorgesorgt“ (also eine Wertberichtigung gebildet,) wenn sie mehr oder weniger bereits voll oder teilweise ausgefallen sind (IFRS: „Losses wich have been incurred“!) Das bedeutet, dass das Risiko zusätzlicher Ausfälle in einer der größten Aktivpositionen nämlich „Forderungen an Kunden“ – zumindest unter dem früher beachteten Grundsatz des „vorsichtigen Kaufmannes“  – nicht mehr angemessen berücksichtigt wird.

Krisensicherheit der Banken nicht abschätzbar

Ein Einblick in die tatsächliche Lage einer Bank ist also einem Externen verwehrt. Es kann daher auch seriöserweise keine Abschätzung über die Krisensicherheit oder die Kapitalisierung der österreichischen Bankenlandschaft gegeben werden. Eigenkapital ist bekanntlich auch bei einer Bank nicht als Sicherheitspolster vorhanden, sondern nur die rein rechnerische Differenz zwischen Aktiva und Passiva. Diese Differenz – also das bilanzielle Eigenkapital – ist in dem Maße verzerrt, wie die Banken mit den erwähnten Gestaltungsmöglichkeiten den Wert ihrer Aktiva und Passiva gegenüber einem realistischem Marktwert verändert haben.

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