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Johannes Ditz (ÖVP) war gemeinsam mit Peter Schachner-Blazizek (SPÖ) im Aufsichtsratspräsidium der ESTAG.

26. November 2011 / 09:09 Uhr

EStAG-Skandal: Sittenbild eines schwarz-roten Energiekonzerns

1996 entschloss sich die ÖVP/SPÖ-dominierte steiermärkische Landesregierung, im Bereich der Energieversorgung eine grundlegende strukturelle Änderung vorzunehmen. Man gründete als Dachgesellschaft die Energie Steiermark AG, kurz EStAG. Die bisher im Landesbesitz befindlichen Energieunternehmen Steweag, Steirische Fernwärme und Steirische Ferngas wurden unter dem Dach der EStAG vereinigt. 1998 verkaufte man einen Anteil von 25 Prozent plus einer Aktie an die französischen Unternehmen Electricite de France und Gaz de France internationale.

Proporz, Geldverschwendung und Machtmissbrauch

Von Anfang an führte der EStAG-Konzern ein Eigenleben. Management und Aufsichtsrat, von Anfang an schwarz-rot besetzt, kümmerten sich weder in ausreichenden Maße um die strategische Ausrichtung des Energieunternehmens, noch um Maßstäbe wie Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit oder Sparsamkeit. Es wurde im Gegenteil über Jahre hinaus eine nicht nachvollziehbare Beteiligungspolitik verfolgt. Controlling und andere zentrale unternehmenspolitische Einrichtungen wurden sträflich vernachlässigt. Dazu kamen fürstliche Gagen für die Vorstandsmitglieder. Allein zwischen 2001 und 2002 stiegen die Aufwendungen für den dreiköpfigen EStAG-Vorstand von 866.300 auf 1,187.500 Euro. Angesichts dieser Tatsachen mag es kaum zu verwundern, dass auch der schwarz-rot besetzte Aufsichtsrat der EStAG das Unternehmen nicht entsprechend kontrollierte.

Ex-ÖVP-Politiker Gerhard Hirschmann scheiterte am eigenen System

2003 kam es zu einer ÖVP-Personalentscheidung, die auf die EStAG unmittelbaren Einfluss hatte. Gerhard Hirschmann, lange Zeit ein Kronprinz von Alt-Landeshauptmann Josef Krainer und nunmehr gemeinsam mit seinem politischen Zwilling Herbert Paierl Landesrat unter der ÖVP-Landeshauptfrau Waltraud Klasnic, war politikmüde. Vor die Tatsache gestellt, dass es in der Landespolitik zu keinen höheren Weihen mehr reichen würde, ließ er sich 2003 von seinen ÖVP-Parteifreunden in den Vorstand der EStAG hieven. Nunmehr waren bereits sieben Jahren seit der Gründung dieser Energiegesellschaft ins Land gezogen, und die Strukturprobleme wurden immer offensichtlicher. Hirschmann, erst wenige Monate im Konzern, brachte diverse Ungereimtheiten an die Öffentlichkeit, dies unabgesprochen mit seinen Vorstandskollegen und der Landespolitik. ÖVP-Landeshauptfrau Waltraud Klasnic und der für die EStAG ressortzuständige ÖVP-Landesrat Herbert Paierl brachen mit ihrem Parteikollegen Hirschmann. Binnen weniger Wochen hatte die ÖVP-Führung neben der Affäre Herberstein nun auch einen veritablen Skandal um den Landesenergieversorger am Hals. Der Regierungspartner SPÖ – in den vergangenen Jahren stehts in Aufsichtsrat und Vorstand personell vertreten – platzte vor Schadenfreude. ÖVP-Haudegen Hirschmann war in seiner letzten öffentlichen Funktion an jenem System gescheitert, das er als steirischer Spitzenpolitiker über Jahrzehnte hinweg geschaffen hatte.

Das System geht trotz allem weiter

Es kam in der Folge zu einer aktienrechtlichen Sonderprüfung, zur Prüfung durch den Rechnungshof und sogar zu mehrjährigen strafrechtlichen Ermittlungen. Das Aufsichtratspräsidium, bestehend aus dem ehemaligen ÖVP-Wirtschaftsminister Johannes Ditz und dem ehemaligen SPÖ-Landeshauptmannstellvertreter Peter Schachner-Blazizek, war um Beruhigung bemüht. Als die Causa weiter eskalierte, wurde der gesamte EStAG-Vorstand abgesetzt. Darüber hinaus musste der langjährige Klasnic- und Hirschmann-Wegbegleiter Paierl seinen Hut als Wirtschafts- und Energie-Landesrat nehmen. Der Rechnungshofbericht war im Resultat vernichtend. Hirschmann trat aus der ÖVP aus, kandidierte mit einer eigenen Liste und trug so wesentlich zur Abwahl von Waltraud Klasnic als Landeshauptfrau bei. Die Strafbehörden ermittelten bis 2006 und stellten dann für viele Beobachter überraschend die Verfahren ein. Lehren hat man aus dem seinerzeitigen EStAG-Skandal allerdings keine gezogen. Bis heute ist der Landesenergieversorger fest in der Hand des nunmehr rot-schwarzen Proporzsystems in der Steiermark. Auch unter SPÖ-Landeshauptmann Voves hat sich daran nichts geändert.

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