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26. Feber 2010 / 15:35 Uhr

Keine Kammer-Unterstützung für Prater-Unternehmer

40 Millionen Euro für eine vierteilige dramaturgische Kulisse aus Styropor, Holz und ein wenig Mörtel. Das klingt unglaublich. Und ist es auch. Auch wenn es um den legendären Wiener Wurstelprater geht – im Jahre 1194 ein Geschenk von Kaiser Friedrich I. an ein Adelsgeschlecht und heute mit jährlich 4,2 Millionen Besucher einer der Top-Touristen-Attraktionen Wiens. Nach dem finanziellen Bauchfleck am Ptaretvorplatz sitzen immer noch zahlreiche Unternehmer auf hohen Forderungen. Weder die Stadt Wien noch die Wirtschaftskammer fühlen sich zuständig.

Als die Gemeinde Wien 2003 einen Ideenwettbewerb zur Neugestaltung des Praters ausschrieb, wollte man verschiedene Varianten zur Praterentwicklung prüfen. Ein Themenpark wie Disneyland stand zur Debatte, ein High-Tech-Park, oder eine Rückführung zur traditionellen Wiener Nostalgie. Der französische Vergnügungspark-Spezialist Emmanuel Mongon bekam von der mittlerweile zurückgetretenen SPÖ-Vizebürgermeisterin Grete Laska den Auftrag für ein heikles Projekt, nämlich den Wurstelprater bis zur Fußball-Europameisterschaft 2008 ordentlich aufzupolieren. Sein sattes Honorar für die dreijährige Planungsphase und zur Interessensvereinigung der mehr als 80 ansässigen Unternehmer: 1,5 Millionen Euro. 

Jedoch währte die Freude über die Möglichkeit zur Neubelebung des in die Jahre gekommenen Stadtjuwels nicht lange. Ganze 75 unterschiedliche Abteilungen zeichneten rund um den Prater für alle möglichen Aufgaben verantwortlich, was dem kreativen Franzosen schließlich zu bunt wurde und er deshalb 2004 die Stadt Wien Marketing und Praterservice GmbH gründen ließ. Als einhundertprozentiges Unternehmen der Stadt Wien mit dem Ziel der Verwaltung sowie Durchführung sämtlicher Bauprojekte.

Im Sommer 2007, als die Pläne endlich umsetzungsreif waren, begann ein politisches Theaterstück der Sonderklasse. Eine eigens gegründete Riesenradplatzerrichtungs GmbH – eine hundertprozentige Tochter der Stadt Wien Marketing und Praterservice GmbH – beauftragte den Leasinggeber Immoconsult Leasing, Arbeiten an die unterschiedlichen Bauunternehmen weiterzugeben. Daran ist zunächst nichts sonderlich Ungewöhnliches, da Ausgliederungen und Beteiligungen aus Effizienzgründen oft an Private erfolgen. Was verwunderlich ist, dass sich zwischen der Immoconsult Leasing und den ausführenden Bauunternehmen das Unternehmen explore 5D GmbH einschaltete, welches ohne öffentliche Ausschreibung als Generalbauunternehmer auftrat. Die unter anderem für gefloppte Themenparks in Heidenreichstein, Salzkammergut sowie Siebenbürgen bekannte Firma war allerdings auch im Prater nicht lange erfolgreich. Kurz vor Fertigstellung der umstrittenen Kulisse unter dem Motto „Wien um 1900“ am Pratervorplatz ging sie Pleite. Laut Ausgleichsantrag hat die explore 5D GmbH rund 10,9 Millionen Euro an offenen Rechnungen nicht beglichen.

Für gut die Hälfte der Summe kommt die Stadt Wien auf. Besonders markant: Wäre der Generalunternehmer nicht zahlungsunfähig, hätte der neu gestaltete Vorplatz noch zusätzlich zehn Millionen Euro gekostet. Was aus den budgetierten 32 Millionen für den Bau plötzlich 40 Millionen machte, ist ebenso unklar wie die Frage, ob Praterunternehmer gezwungen wurden, Geld für Beratungsleistungen einer fiktiven Firma im Steuerparadies Delaware (USA) zu bezahlen. Etwa 300.000 Euro sollen dort über ein Konto bei Raiffeisen eingegangen sein.

Die ansässigen Achterbahn-, Würstelstand- und Attraktionenbesitzer werden höchstwahrscheinlich auf ihren Forderungen sitzen bleiben, sahen sie doch hinter dem rot gefärbten Firmennetzwerk immer nur die Stadt Wien als Auftraggeber. Diese versprach zwar nach Anstieg des öffentlichen Druckes vollmundig, dass „den kleinen Unternehmern kein existenzieller Schaden entstehe“, agierte bisher jedoch kaum. Entsprechende Hilfen, die etwa in der Sitzung des Wiener Wirtschaftsparlaments beantragt wurden, wurden in gewohnter Packelei von Rot (Wirtschaftsverband) und Schwarz (Wirtschaftsbund) abgedreht.

Die Wirtschaftskammer Wien hält sich zu den Vorfällen bedeckt. Mehrmalige Anfragen der Unzensuriert-Redaktion wurden schlichtweg ignoriert. Offen bleibt, welchen Part sie im intransparenten Pratervorplatz-Netzwerk spielt und warum sie die zum Handkuss gekommenen Kleinunternehmer – immerhin (Zwangs-)Mitglieder der Interessensvertretung – nicht unterstützt.

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