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15. Dezember 2011 / 22:38 Uhr

Der fragwürdige Selbstmord eines roten Ex-Heeresministers

Mit dem Strafgericht sind viele SPÖ-Regierungsmitglieder in Berührung gekommen, zumindest aber ins Visier von Ermittlungen: Hannes Androsch, Fred Sinowatz, Karl Blecha, Leopold Gratz, Erich Schmidt. Neben der Affäre Waldheim und der Causa Noricum war vor allem der Tatbestand der falschen Zeugenaussage in diesen Kreisen ein beliebtes Tatbild, das der eine oder andere verwirklicht hat. Abgesehen von diesen Irritationen, die meistens am Ende der politischen Karriere standen, erfreuen sich diese Herren meistens bester Gesundheit und genießen noch viele Jahre ihre Politikerpensionen und Erinnerungen, die ihnen aus den längst verblichenen Staatsfunktionen verblieben sind. Einer der hier aus der Rolle gefallen war, war der ehemalige rote Heeresminister Karl Lütgendorf.

Der Adelige und Wehrmachtsoffizier

Lütgendorf, geboren im Kriegsjahr 1914 zählte zu den Ausnahmeerscheinungen in der österreichischen Innenpolitik der Zweiten Republik. Dies bedingten Abstammung und Karriereverlauf. Lütgendorf stammte aus einer altadeligen Familie, sein Vater war Berufssoldat in der  k.u.k. Armee, in der Ersten Republik leitete er die Heeresverwaltungsstelle in der Steiermark und wurde dort später stellvertretender Brigadier der 5. Brigade “Steiermark”. Karl Lütgendorf schlug wie selbstverständlich ebenfalls die Offizierslaufbahn ein. Nach dem Einjährig-Freiwilligen-Jahr beim ersten österreichischen Bundesheer absolvierte Lütgendorf in den Jahren 1934 bis 1937 die Theresianische Militärakademie in Wiener Neustadt. Im Jahre 1938 wurde er in die Wehrmacht übernommen und diente als Generalstabsoffizier unter anderem in Norwegen.

Der Berufssoldat der Zweiten Republik und rote Heeresminister

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs half Lütgendorf während der Besatzungszeit beim Aufbau der B-Gendarmerie, der Vorläuferin des zweiten österreichischen Bundesheeres mit. 1956 wurde er als Oberstleutnant des Generalstabes in das neu gegründete Bundesheer aufgenommen, wo er den Stab der Kärntner 7. Brigade leitete. Ab 1958 war er Abteilungsleiter für militärische Ausbildung im Bundesministerium für Landesverteidigung. Nach dem kurzen Intermezzo seines Generalstabs- und Beamtenkollegen Johann Freihsler im Amt des Heeresministers wurde Karl Lütgendorf vom sozialdemokratischen Bundeskanzler Bruno Kreisky in dieses Amt berufen. Formal parteifrei und als Fachminister der Öffentlichkeit präsentiert, war Lütgendorf seinem Regierungschef Bruno Kreisky äußerst loyal verbunden und wurde fortan als “roter General” punziert. Trotz aller persönlichen und fachlichen Bedenken setzte Lütgendorf 1971 die in der SPÖ-Wahlbewegung versprochene Wehrdienstzeitverkürzung um.

Freund und Gönner von Proksch, SPÖ und Co.

Der Adelige Lütgendorf stieg durch seine Berufung zum Ressortminister auch in die gesellschaftlichen und politischen Kreise des roten Wiens Anfang der siebziger Jahre auf. Bald kam er in die Zirkel rund um den SPÖ-Gönner und Chef des Cafe Demel, Udo Proksch, und bereicherte als echter Adeliger den mondänen Salon des Club 45 in der k.u.k. Hofzuckerbäckerei am Wiener Kohlmarkt. Im Zuge der Lucona-Affäre rund um Udo Proksch kam nachher ans Tageslicht, dass er so manche Aktivität von Proksch und seiner Kreise auch aus Heeresbeständen unterstützt haben soll. Lütgendorf repräsentierte jene Schicht bürgerlicher Mitstreiter, die einen Stück Weges mit Kreisky gehen wollten und nach außen hin weit über den engen SPÖ-Parteiapparat wirkten.

Waffenaffäre, Rücktritt und angeblicher Freitod

Die Macht hatte aber auch ihren Preis. Durch seine unkonventionelle Amtsführung, aber auch durch sein Einlassen mit Proksch und Co. wurde der SPÖ Heeresminister sehr bald Zielscheibe medialer und politischer Kritik. Lütgendorf, der das Nahostengagement Bruno Kreiskys vorbehaltlos unterstützte und die österreichischen UNO-Einsätze auf Zypern und am Golan umsetzte, hatte sich über die Jahre auch exzellente Verbindungen in die arabische Welt aufgebaut. Über diese Kontakte liefen auch Waffenlieferungen an Syrien und Lybien. Als der politische Druck auf Kreisky auch innerparteilich immer größer wurde und Lütgendorf offensichtlich weder seinen Regierungschef noch Parlament und Öffentlichkeit umfassend über die Vorkommnisse informiert hatte, drohte das Ende als Minister. Lütgendorf musste im Jahre 1977 zurücktreten, und es wurde ein Untersuchungsausschuss eingerichtet, der die Angelegenheit untersuchte. Vier Jahre später, im Jahr 1981 nahm sich Lütgendorf laut österreichischen Behörden auf einem Jagdausflug das Leben. Lütgendorfs Familie, aber auch ein Teil der österreichischen Journalisten glaubt bis heute nicht an diese Version. Da in diesem Zeitraum sowohl die Lucona- als auch die Noricum-Affäre im Raum standen, gehen manche davon aus, dass es sich beim Tod des ehemaligen roten Ministers um einen unfreiwilligen handelte.

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