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1. März 2010 / 12:17 Uhr

Wirtschaftskammer-Wahlrecht widerspricht allen Grundsätzen

Noch bis Dienstag laufen in Wien die Wirtschaftskammer-Wahlen. Neben den zahlreichen Skandalen, die schon im Vorfeld bekannt geworden sind, lohnt sich auch ein Blick auf das Wahlrecht. Mit Demokratie und den verfassungsgemäßen Anforderungen hat es wenig zu tun.

Eine Wahlkommission, die Kandidaten das passive Wahlrecht und teilweise auch das aktive vorenthält; Keilertrupps, die von Unternehmern unausgefüllte Wahlkarten im Namen der Wirtschaftskammer abholen – das alles sind Ausflüsse eines Wahlsystems, das den Missbrauch fördert.

Zwar ist im Wirtschaftskammer-Gesetz vorgesehen, dass die Wahlen auf Grund des allgemeinen, gleichen und geheimen Verhältniswahlrechtes zu erfolgen haben. Durch die Wahlordnung wird diesem Erfordernis aber in keinster Weise Rechnung getragen:

Kein gleiches Wahlrecht:

Die Wahlen finden in den Fachrguppen statt. Dabei haben die Stimmen unterschiedlichen Einfluss. Der Extremfall ist die Fachgruppe der Seilbahn-Unternehmen mit einem einzigen Mitgliedsbetrieb, der sich selbst in ein Mandat wählt. Fachgruppen mit tausenden Mitgliedern müssten somit ebenfalls gleich viele Mandate wie Mitglieder haben, um ein gleiches Wahlrecht zu gewährleisten. Die Wahlergebnisse auf Fachgruppenebene pflanzen sich über ein indirektes System nach oben in die Spartenvertretungen und die Wirtschaftsparlamente der Länder und des Bundes fort. Auch hier ist somit der Einfluss des einzelnen Unternehmers unterschiedlich groß. Hinzu kommt, dass viele Firmen mehrere Gewerbe und somit auch Wahlrechte haben, ihr Einfluss auf die übergeordneten Organe somit größer ist.

Kein direktes Wahlrecht:

Wie erwähnt, werden nur die Fachgruppenvertretungen direkt gewählt, alle übergeordneten Mandate nach dem d Hondt schen Verfahren ermittelt. Diese Praxis begünstigt die stärkeren Fraktionen ernorm. Um diesen Missstand abzustellen, müssten die Unternehmer für jede Ebene eine Stimme erhalten.

Kein geheimes Wahlrecht:

Das in der Wirtschaftskammer umgesetzte Briefwahl-System birgt zahlreiche Schwächen. Anders als bei Nationalratswahlen ist es nicht nötig, durch Unterschrift eidesstattlich zu erklären, dass man den amtlichen Stimmzettel persönlich, unbeobachtet und unbeeinflusst ausgefüllt hat. Dies wäre jedoch ein Mindesterfordernis, um den aktuell grassierenden Manipulationen mit herausgelockten Wahlkarten einen Riegel vorzuschieben. Zudem wird durch die Zusendung der Wahlkarte in einem Kuvert mit der Aufschrift "Ihre Wahlunterlagen" das Briefgeheimnis verletzt.

Der Dritte Nationalratspräsident Martin Graf zeigte sich tief besorgt über die zahlreiche Schwächen des Wahlsystems. Die FPÖ pro Mittelstand werde daher nebst einer Wahlanfechtung auch eine Verfassungsklage einbringen um sicherzustellen, dass die Wahlordnung bis zum nächsten Urnengang repariert wird.

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