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27. Dezember 2011 / 09:30 Uhr

Rettung eines Etablierten: Wulff bleibt im Amt

Christian Wulff"Wenn Sie im Frühjahr blühende Rosen haben wollen, müssen Sie im Herbst stinkende Jauche drauf kippen" – diese weise Sentenz stammt vom ehemaligen AWD-Chef Carsten Maschmeyer. Wer sich mit dem amtierenden Bundespräsidenten beschäftigt, wird schnell auf den "Drückerkönig" und den Juwelier und Schrotthändler Egon Geerkens stoßen. Sie sind enge Freunde: Geerkens‘ Frau ermöglichte durch einen überaus großzügigen Kredit über 500.000 Euro Wulffs Hauskauf, als dieser noch Ministerpräsident war. Eine Geschäftsbeziehung zu ihm leugnete der Landeschef vor dem Parlament. In Maschmeyers Villa urlaubte Wulff, Maschmeyer unterstützte sein mediokres Buch "Besser die Wahrheit", das den Wahlkampf flankieren sollte mit einer Anzeigenkampagne für rund 42.000 Euro.

Christian Wulff

Christian Wulff

Noch einmal davongekommen: Wulff gab zu, was zu beweisen war.
Foto: Stiftung Stadtgedächtnis / flickr (CC BY-NC-ND 2.0)

Alle drei gehören zu einem Beziehungsgeflecht in und um die Landeshauptstadt Hannover. Hier gilt, was Konrad Adenauer dereinst folgendermaßen zusammenfasste: Man kennt sich und man hilft sich. Ein für Normalbürger unerreichbar konditionierter Kredit, der von einem Darlehen der Landesbank Baden Württemberg mit quasi halbierten Zinsen abgelöst wurde, eine diskrete Wahlkampfhilfe: Diese fragwürdige Freundschaftspflege ging kaum über das hinaus, was man in der Provinz "Filz" nennt. Dennoch hat sie Wulff, der bislang immer nur das zugab, was kaum zu leugnen war, in Bedrängnis gebracht.

Es gibt eine Reihe guter Argumente für den Rücktritt, die Frage nach der aktuellen Glaubwürdigkeit als "Kapital" des Bundespräsidenten verdeckt aber den Blick auf Christian Wulff als typischem Vertreter des politischen Establishments. Wir erinnern uns: Der Parteisoldat und ehemalige "Kronprinz" ließ sich in das lukrative Amt abschieben, obwohl es signifikante Widerstände gab. Der Gegenkandidat Joachim Gauck erwarb sich von Tag zu Tag größere Sympathie. Bezeichnenderweise hatte Wulff das Amt des Ministerpräsidenten bis zur Wahl nicht niedergelegt: Sicher ist sicher. Merkels Kandidat fiel bei zwei Wahlgängen durch, er konnte erst "durchgedrückt" werden als man die Unions-Abgeordneten hinter den Kulissen lautstark an die Parteiraison erinnerte.

Berufspolitiker tat sich bei Wahl zum Präsidenten schwer

Mit Christian Wulffs Weglobung schloss Merkel die parteiinterne Flurbereinigung ab. Es galt: Wer ein Bundesland zufriedenstellend verwalten kann, "kann" auch Bundespräsident. Bereits zu diesem Zeitpunkt war das höchste Amt, nun dem ordinären Politikbetrieb ausgeliefert, beschädigt. Der "Berufspolitiker, der sich für das höchste Amt im Staate allein durch sein ordentliches Aussehen, seine guten Manieren und seine attraktive Frau qualifiziert hatte" (Henryk Broder), konnte bis heute verständlicherweise keine Akzente setzen. Außer den üblichen politisch-korrekten Ritualen und Sonntagsreden ist von ihm nichts zu erwarten.

Wie wenig Wulff für dieses Amt geeignet ist, zeigte sich jedoch schon viel früher: im Rahmen der Sarrazin-Debatte. Wulff merkte schnell, dass für die Bewertung von Person und Amtsführung das positive Echo des linksliberalen Medienestablishment entscheidend ist. Instinktsicher (und dennoch tumb) ging er auf dem Höhepunkt der Debatte auf den Ex-Senator und Bundesbanker los. Wulff warf ihm vor, mit seinem Bestseller dem "Ansehen der Bundesrepublik" geschadet zu haben und drängte auf seinen Rauswurf. Er mischte sich damit unter Missachtung der Selbständigkeit der Bundesbank in eine nachrangige Personalie ein, der höchste Repräsentant des Staates verstrickte sich in eine arbeitsrechtliche Problematik. Schließlich nahm Thilo Sarrazin den "goldenen Handschlag", hektisch vom Bundespräsidialamt ausgehandelt, an und schied nach der Verstellung beruflicher Perspektiven aus. Der Geschasste stellte anschließend treffend fest: "Wäre ich stur geblieben, hätte das den Bundespräsidenten – weil er sich so weit vorgewagt hatte – und das Staatsamt beschädigt".

Sarrazin-Debatte: Wulffs erste große Blamage

Eine Verhandlung vor einem Arbeitsgericht hätte Wulffs Rolle, der sich darauf verlogen als "Mediator" verkaufte, beleuchtet: Das Staatsoberhaupt wäre restlos blamiert gewesen. In der Sarrazin-Debatte verzichtete Wulff auf eine inhaltliche Auseinandersetzung, tiefer gehende Beschäftigungen mit einem Thema wie dem der "Integration" liegen ihm ohnehin fern. "Der Islam gehört zu Deutschland" – Doch warum Wulffs verbale Verbeugung bei so vielen seiner Landsleute Unbehagen auslöst, 1,5 Millionen Bundesbürger "Deutschland schafft sich ab" gekauft haben, das bleibt Christian Wulff schleierhaft, nach Antworten will er nicht suchen. Die in der Migrantenlobby "hippe" Behauptung "Die Ausländer haben Deutschland nach dem Krieg aufgebaut" würde das intellektuell limitierte Staatsoberhaupt jederzeit unterschreiben.

Der Bundespräsident hat sich mit seiner noch rechtzeitigen Erklärung zu den Krediten, der Entlassung seines Sprechers (der bei Unternehmern kostenlos urlaubte) und seiner traditionellen "Weihnachtsansprache" gerettet, beschädigt bleibt er. Dass er zur Weihnacht erneut schwerpunktmäßig und peinlich politisch korrekt über das Thema "Integration" im Sinne der Einwanderlobby referierte und als "Kämpfer gegen rechts" eifrig vor "Rechtsextremisten" warnte, sorgte erwartungsgemäß für ein positives Medienecho. Es stellte sich ein Nebeneffekt ein: Denn verglichen mit diesen Problemen, zu deren Lösung er jovial und staatstragend beitragen will, erscheinen fragwürdige Kredite und dubiose Freunde unendlich klein. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

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