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USA

31. Dezember 2011 / 20:26 Uhr

Panamás Ex-Diktator Noriega muss ins heimische Gefängnis

Der frühere Diktator im mittelamerikanischen Panamá, Manuel Antonio Noriega, wurde Mitte Dezember an sein Heimatland ausgeliefert. Dort warten auf ihn weitere sechzig Jahre Haft, nachdem er bereits seit 1989 – zunächst in den USA, danach kurz in Frankreich – im Gefängnis saß. Noriega ist ein Sinnbild für die verfehlte Politik der USA in Panamá. Noriega wurde zunächst vom US-Geheimdienst ausgebildet und bezahlt und wandelte sich danach zum Staatsfeind Nummer eins der Vereinigten Staaten.

Den folgenden Beitrag hat uns Michael Johnschwager zur Verfügung gestellt. 1949 in Hamburg geboren, war er als Außenhandelskaufmann von 1980 bis 1990 in Kolumbien, Venezuela und Honduras privatwirtschaftlich, sowie in Entwicklungsprojekten in Costa Rica in beratender Funktion im Einsatz. Seit 2004 ist Johnschwager als fremdsprachlicher Dozent und Autor mit Schwerpunkt Lateinamerika freiberuflich tätig.

Manuel Noriega

Manuel Noriega

Seit fast 22 Jahren in Haft: Panamás
Ex-Diktator Manuel Antonio Noriega.
Foto: U.S. Marshals Service / WIkimedia

1990 zu einer Gesamtstrafe von 30 Jahren verurteilt, wurde Panamás ehemaliger Machthaber, General Manuel Antonio Noriega, im April 2010 aus US-amerikanischer Haft entlassen. Nachdem er etwa zwei Drittel des Strafmaßes verbüßt hatte, entschied sein Richter, dass der zu dieser Zeit 75-jährige Verurteilte lange genug eingesessen habe. Die Reduzierung der Strafe verdankt der Ex-Militär nicht zuletzt seiner guten Führung.

Bereits im Vorfeld dieser richterlichen Entscheidung berief sich die französische Justiz auf das mit den USA im April 1996 vereinbarte Abkommen, um Noriegas Auslieferung zu beantragen. Französische Gerichte wollten ihn zur Verantwortung ziehen für sein aktive Beteiligung beim Waschen von Drogengeldern. Diese flossen u.a. in Immobilien. So erwarb Noriega drei Luxus-Appartements in Frankreich, von denen eines inzwischen für 10 Mio. Francs (damals 1,5 Mio. Euro) verkauft wurde.

Dies mochte die Zukunft des Manuel Antonio Noriega düster erscheinen lassen. Bei näherer Betrachtung wiederum erschien es eher wie eine glückliche Fügung am Lebensabend eines Mannes, dessen Werdegang nicht widersprüchlicher hätte sein können. Im heimischen Panamá hätte man ihn u.a. für den Auftragsmord an seinem erklärten Widersacher, des Arztes und linksgerichteten Journalisten Hugo Spadafora, zur Rechenschaft gezogen. Diese Untat wäre mit mindestens 15 Jahren Haft gesühnt worden. Nun holen ihn diese Taten doch noch ein, denn Frankreich lieferte Noriega nach nur knapp eineinhalb Jahren nach Panamá aus.

Aus dem Armenviertel Chorillo an die Militärakademie Los Chorillos

Wie sich die Namen ähneln. 1934 wird Manuel Antonio Noriega als Sohn kolumbianischer Einwanderer im Stadtteil Chorillo von Panamá-Stadt geboren und wächst in ärmlichen Verhältnissen auf. Bereits in der Grundschule fällt es ihm schwer, dem Unterricht zu folgen. Früh muss er erkennen, dass ihm der Zugang zur medizinischen Fakultät der Universidad de Panamá von vornherein versperrt bleiben wird.

So entschließt er sich für die militärische Laufbahn, die recht erfolgversprechend beginnt: er erhält eine sog. beca (Stipendium) an der Militärakademie Los Chorillos in Perú. Dort wird die CIA auf ihn aufmerksam, er wird daraufhin deren umtriebiger Zuträger. Der junge Noriega erweist sich als verschlagen, wendig und skrupellos genug, Informationen aus studentischen Kreisen zu beschaffen. Damit ist der erste Schritt in Richtung einer langfristig angelegten Spitzeltätigkeit vollzogen. Später wird er diesen Lebensabschnitt, sowie die darauf gründende weitere Entwicklung, vehement abstreiten. Seine Einkünfte als emsiger CIA-Informant werden nach Schätzung von einschlägigen Quellen auf mehr als 320.000 US-Dollar beziffert. Eine relativ geringe Summe gemessen an der „Schlussbilanz“, deren Höhe mit ca. vier Milliarden US-Dollar veranschlagt wird!!

Blitzkarriere beim Militär bis zum Vier-Sterne-General

Nach Rückkehr in sein Heimatland wird er konsequent seine militärische Karriere verfolgen: 1962 Fähnrich, 1966 Leutnant, Anfang 1969 zum Hauptmann ernannt. Bereits gegen Ende 1969 wird er in den Rang eines Majors erhoben.

Den US-Militärs gilt er als ambitionierter Nachwuchsoffizier, der alle Voraussetzungen erfüllt, in der Hierarchie ganz oben anzukommen. Noriega ergreift jede sich ihm seitens der Amerikaner bietende Gelegenheit, eine steile Karriere anzuvisieren. So wird er zwölf Kurse absolvieren, davon einen im Rahmen der Spionageabwehr.

Er erklimmt nun die höchsten Stufen der Karriereleiter: Oberstleutnant 1970, befindet er sich ein gutes Jahrzehnt später im Rang eines Obersten. Im darauf folgenden Jahr, 1983, erfährt er die nächste Beförderung: Brigadegeneral. In diesem Jahr schafft er den Sprung an die Spitze: Vier-Sterne-General.

Bedingungslose Loyalität zu General Omar Torrijos

Carter – Torrijos

Carter - Torrijos

Noriegas Verbündeter General Torrijos (rechts) sicherte in einem Vertrag
mit US-Präsident Carter seinem Land die Nutzungsrechte des Panamá-Kanals.
Foto: U.S. National Archives and Records Administration / Wikimedia

In der Zeit zwischen 1968 und 1981 erlebt Panamás Bevölkerung die Epoche des überaus volksnahen Generals Omar Torrijos, der bereits zu Lebzeiten zur Legende wird. Torrijos, seit 1968 Führer der Militärregierung, entdeckt Noriegas Führungsstärke und Durchsetzungsvermögen zur Sicherung seiner Macht. Zwischen den beiden entwickelt sich eine klassische lateinamerikanische Männerfreundschaft. Sein Gespür für Menschen sollte Torrijos nicht trügen. Noriega fühlt sich gegenüber Torrijos zu absoluter Loyalität verpflichtet und stellt dies unter Beweis, als dieser sich auf einem Besuch in México befindet. Seine Abwesenheit erscheint ranghohen panamaischen Offizieren als Gunst der Stunde, einen Umsturz anzuzetteln. Noriega, der zu dieser Zeit das Militär in der Provinz Chiriquí (Grenze zu Costa Rica) befehligt, zögert keinen Augenblick „seinem“ Oberbefehlshaber der Guardia Nacional den Weg zurück nach Panamá freizukämpfen, indem er die Rebellion niederschlägt.

Die Anerkennung lässt nicht lange auf sich warten. Für sein entschlossenes, couragiertes Handeln wird Noriega in die Führung des Militärgeheimdienstes G-2 berufen, an dessen Spitze er sich über ein Jahrzehnt behauptet. Omar Torrijos wird im Juli 1981 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kommen, dessen Ursache bis heute nicht abschließend aufgeklärt worden ist.

General Torrijos wird auch auf internationalem Parkett Anerkennung zuteil. Ihm ist der respektable außenpolitische Erfolg zuzuschreiben, 1977 mit US-Präsident Jimmy Carter einen Vertrag auszuhandeln, demzufolge die Nutzungsrechte sowie die Verwaltung des Panamá-Kanals („Canal Oceánico“) am 31.12.1999 auf die Republik Panamá übergehen.

Seitenwechsel im Drogengeschäft macht Noriega zum US-Staatsfeind

Anfang der 1980er Jahre etablieren sich im benachbarten Kolumbien die Drogenkartelle von Medellin und Cali. Nachdem Noriega zahlreiche Auszeichnungen verliehen wurden für seine Erfolge im Kampf gegen das Rauschgift, betreibt er fortan das Geschäft der kolumbianischen Drogenmafia. Sie macht sich dessen machtvolle Position zunutze und damit findet der Löwenanteil des kolumbianischen Kokains seinen Weg über Panamá in die USA und Europa. Mit seinem abrupten Seitenwechsel mutiert Uncle Sams einstiger Günstling zu dessen „Public enemy number 1“.

Überstellung Noriega

Überstellung Noriega

Nach seinem Sturz wurde General Noriega am 1. Jänner 1990 mit einem
Flugzeug der Air Force in die USA gebracht, wo er zwanzig Jahre in Haft war.
Foto: United States Air Force / Wikimedia

Trotz, oder wegen der eisernen Faust, mit der Panamás starker Mann zwischen 1983 und 1989 sein Land fest im Griff hat, erwachsen ihm Gegner in den eigenen Reihen. Gegen Ende seiner Herrschaft kommt es zu zwei Aufständen mit dem Ziel, den verhassten pockennarbigen General zu entmachten. Im März 1988 unter Führung des Obersten Leonidas Macias, sowie im Oktober 1989 erschüttern Rebellionen das Land. Beide Male werden die Aufstände frühzeitig entdeckt und niedergeschlagen. Beim zweiten Putschversuch büßt der beteiligte Major Moisés Giroldi Vera seine Auflehnung mit dem Leben. Auf Geheiß des als „Ananasgesicht“ (cara de pina) verunglimpften Machthabers Noriega wird der Major erschossen. Mit ihm ereilt weitere zehn Putschisten dieses Schicksal. Der elfte Usurpator erliegt den Torturen, die ihm im „Modelo-Gefängnis“ beigebracht werden.

Causa Justa – US-Intervention stürzt Noriega

Es dauert nur noch zwei Monate, als in der Nacht vom 19. Auf den 20. Dezember 1989 die militärische Intervention der USA unter dem Namen „Causa Justa“ (Gerechte Angelegenheit) anläuft. An deren Ende werden geschätzte 3.500 Menschenleben zu beklagen sein. Die Kampfhandlungen kommen nach ca. 14 Tagen zum Erliegen.

Nachdem er zunächst Zuflucht bei seiner Geliebten findet, verbarrikadiert sich der entmachtete General in der Nuntiatur. Unter katholischer Obhut fällt kein einziger Schuss, als Manuel Antonio Noriega sich am 3. Januar 1990 den amerikanischen Truppen ergibt.

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