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4. März 2010 / 19:53 Uhr

Türkei ist zerrissen zwischen zwei nicht EU-tauglichen Strömungen

Die Türkei hält sich seit einer langen Zeit in der öffentlichen Aufmerksamkeit – nicht zuletzt durch ihren Willen, der EU beizutreten. Doch ein Blick ins Innere des Landes gibt viel Auskunft über innere Stabilität und Sicherheit: Offenbar plante das türkische Militär, den umstrittenen Ministerpräsident Erdogan in einem Putsch zu stürzen. Als Antwort darauf wurden hochrangige Generäle verhaftet. Eine Aktion, die noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen wäre. Warum ist das kleinasiatische Land so zerrissen?

Vergangene Woche wurden nicht weniger als 49 Personen festgenommen – unter ihnen der ehemalige Luftwaffenchef und ein Marineadmiral. Waren Putschpläne vormals noch als böswillige Fälschung abgetan worden, so räumt der Generalstab mittlerweile ein, dass die Dokumente tatsächlich authentisch sein könnten. Dies fügt sich nahtlos in eine Reihe anderer Komplotte ein, die ein gemeinsames Ziel haben: Recip Erdogans islamisch-konservative Regierung.

Das türkische Militär hat bereits viermal in seiner Laufbahn Regierungen zerschlagen. Es sieht sich als Hüter des Erbes von Kemal Kemal Atatürk, dem "Vater der Türken". Er schaffte die muslimischen Herrschaftsstrukturen des Kalifats und des Sultanats ab und ist somit der Gründer der türkischen Republik. Der sogenannte Kemalismus enthält als ein Kernelement seiner Philosophie die Trennung von Religion und Staat, den Laizismus. Atatürk selbst stand dem Islam sogar eher distanziert gegenüber und wollte ihm keine Macht in seinem Staat geben. Das Militär folgt dieser Linie mit eiserner Entschlossenheit und steht somit für extremen Nationalismus und autoritäre Herrschaft.

Erdogan, mit seiner religiös-konservativen Partei im Rücken, fährt eine ganz andere Linie. Ihm wird nachgesagt, die Türkei schleichend zu islamisieren. Er vertritt die Scharia, erklärt den moslemischen Laizismus für unmöglich, und saß wegen Missbrauchs der Grundrechte in Haft. Obwohl das Volk ihm Anbiederung an die EU unterstellt, verkündet er, die Demokratie sei "nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind".

Diese beiden Richtungen nehmen zwar entgegengesetzte Positionen ein, für die EU tauglich sind sie allerdings beide nicht. Zwar wurde das nicht besonders demokratische Netz aus Armee, Justiz, Politikern und Geheimdiensten, das als "tiefer Staat" bezeichnet wird, bisher eher missbilligend wahrgenommen, mit dessen Abschaffung erhofft man sich jedoch vergeblich eine Demokratie nach europäischer Auffassung.

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