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20. Jänner 2012 / 03:07 Uhr

Ungarische Verfassung ist für Cohn-Bendit “stalinistisch”

Daniel Cohn-BenditEs ist nicht das erste Mal, dass der Co-Vorsitzende der europäischen Grünen, Daniel Cohn-Bendit, im EU-Parlament ausflippt. Als demokratisch scheint für den wortgewaltigen Lanzeitpolitiker nur gelten, was von den Linken so empfunden wird. Daher überraschte es nicht, als er den in Straßburg auf Versöhnungstour befindlichen ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán neuerlich unter der Gürtellinie attackierte: Er warf dem Regierungschef vor, eine stalinistische Verfassung umgesetzt zu haben.

Daniel Cohn-Bendit

Daniel Cohn-Bendit

Daniel Cohn-Bendit will Ungarn mit einer "stalinistischen Verfassung"
nicht als EU-Mitgliedsland akzeptieren.
Foto: boellstiftung / flickr (CC BY-SA 2.0)

Daniel Cohn-Bendit ist seit Beginn der Amtszeit Orbáns ein Scharfmacher gegen die Fidesz-Partei, die seit dem Wahlsieg über eine Zweidrittelmehrheit im Land verfügt. Er und die Sozialdemokraten sind nicht glücklich darüber, dass ein konservativer Politiker an der Macht ist. So ist es zu erklären, warum der neu gewählte sozialdemokratische EU-Parlamentspräsident Martin Schulz sich vorstellen kann, Ungarn in letzter Konsequenz sogar das Stimmrecht zu entziehen. Diese Möglichkeit bestünde, wenn ein EU-Mitgliedsland nachhaltig gegen die Grundwerte der Union verstößt.

Die Stimmung der Linken gegenüber Ungarn bezeichnete Polens Ministerpräsident Donald Tusk als „zeitweise hysterisch“. Es sei nicht seine Aufgabe, Orbáns Entscheidungen und die der Regierungsmehrheit zu kritisieren, und er sei vollkommen überzeugt, dass Ungarn weiterhin an europäischen demokratischen Standards festhalte. Es gebe keinen Grund, derart alarmiert zu reagieren wie einige politische Gruppen. Polens Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski wurde gegenüber der deutschen Nachrichtenagentur dpa noch deutlicher: „Die EU hat sich nicht am vorherigen Regime gestört, das ein riesiges Haushaltsdefizit hatte. Jetzt, wo Demokratie und grundlegende Ordnung nach Ungarn zurückgekehrt sind, stören sie sich an Ungarn.“

Kritiker sollen zuerst die Verfassung lesen

Unterdessen erklärte Viktor Orbán in Straßburg, sein Land werde in der Debatte über die umstrittenen Verfassungsgesetze die „Probleme schnell und einfach korrigieren“. Weiters meinte der Ministerpräsident, dass seine Kritiker doch zuerst einmal die ungarische Verfassung lesen sollten. „Der Schutz der Minderheiten in unserer Verfassung könnte vielen europäischen Ländern als Vorbild dienen“, so Orbán. Die Umgestaltung Ungarns nach der kommunistischen Ära sei rasch gegangen, „bei dem schnellen Tempo halten wir es für natürlich, dass es auch Streitfragen gibt und geben soll“.

Die Europäische Union hat trotz dieser Aussagen Orbáns drei Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn eingeleitet: wegen der Unabhängigkeit der Zentralbank, der Altersgrenzenherabsetzung bei Richtern und Staatsanwälten sowie wegen der Unabhängigkeit der Datenschutzbehörde. Diese eingeleiteten Verfahren der EU zielen offenbar darauf ab, das Image des Landes und seines Regierungschefs zu beschädigen. Fundamentale Argumente für das Vorgehen der EU gibt es laut Orbán und Ungarn-Kennern nicht. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch, dass plötzlich keiner mehr über das Mediengesetz spricht. Der Grüne Daniel Cohn-Bendit und seine Fraktionskollegen (auch aus Österreich) hatten sich beim vergangenen Besuch Orbáns in Straßburg den Mund zugeklebt, um für die Pressefreiheit in Ungarn zu demonstrieren. Damals wurde auch dieses Thema von den Linken aufgebauscht – zu Unrecht, wie sich jetzt, Monate nach Inkrafttreten des neuen Mediengesetzes herausstellt.

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