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13. März 2010 / 18:50 Uhr

Darabos-Sprecher schwingt Faschismus-Keule gegen Standard-Redakteur!

Stefan Hirsch, der Pressesprecher des Verteidigungsministers, muss nicht oft solche Mails schreiben. Meist klappt die Jubel-Berichterstattung in den Medien ohne gesonderte Aufforderung. Die Redakteure wissen, woher die Inserate kommen. Und so beginnt Hirsch seinen Text an Standard-Herausgeber Oscar Bronner mit den Worten:

"Es liegt mir als Pressesprecher eines Ministers fern, die Nachrichtenselektion und die redaktionelle Arbeit einer Tageszeitung zu kritisieren. In diesem Fall ist es mir aber ein Anliegen,…"

Verteidigungsminister Norbert Darabos bei der Pressekonferenz zu den Grabungen in der ehemaligen SS-Kaserne WetzelsdorfEs folgt Wehklagen darüber, dass dem Standard-Redakteur Conrad Seidl die Darabos-Pressekonferenz (Foto: Bundesheer/Livio Srodic) über Grabungen nach möglichen SS-Opfern in der Grazer Kaserne Wetzelsdorf nur eine vierzeilige Meldung wert war, während er an anderer Stelle in einem Artikel zum geschrumpften Heeres-Budget anmerkte, dass sich Darabos "lieber darauf konzentrierte, die Geschichte aufzuarbeiten", während er das aufgebrummte Sparziel einfach an das Generalstabsbüro delegierte. Den Pressesprecher bringt diese aufmüpfige Berichterstattung in Rage. Er greift zur schärfsten Waffe – der Faschsimuskeule – uns versteigt sich zu folgendem Satz:

"Ich darf anmerken, dass die Bemühungen des kroatischen Wehrdienstverweigerers (wie er von den Rechtsextremen genannt wird) bereits mehrfach ähnlich zynisch von der rechtsextremen Internet-Plattform Alpen-Donau Info kritisiert wurden."

Doch der Schlag zeigt beim Standard-Redakteur und "Bierpapst" keine Wirkung. Der setzt sich nämlich gegen Hirsch Attachen zur Wehr:

"Ich antworte darauf, auch wenn Sie es nicht der Mühe wert gefunden haben, mir eine Kopie dieses diffamierenden Schreibens zu senden."

Seidl weist den Rechtsextremismus-Vorwurf scharf zurück und bezeichnet die Darabos-Pressekonferenz als Ablenkungsmanöver:

"Wenn man es böse formulieren wollte – was sich vermieden habe – könnte man sagen: Der Herr BM missbraucht das Gedenken an Nazi-Opfer, um von seinem eigenen Versagen bei der Budgeterstellung abzulenken. Ich bin – offenbar anders als Sie – kein regelmäßiger Besucher des Alpen-Donau-Internetauftritts. Ich weiß daher auch nicht, ob dort wahrheitsgemäß berichtet wird oder nicht und auch nicht, ob der Herr BM dort in zynischer Weise kritisiert wird. In Ihrem Schreiben unterstellen Sie mir allerdings, dass ich wie ein Rechtsextremer argumentierte."

Und Seidl kennt noch einen weiteren Grund für das Ablenkungsmanöver des Verteidigungsministers:

"Es ist dem Herrn BM eine schwer erträgliche Vorstellung, dass jemand wie die Frau LR Rosenkranz Oberbefehlshaberin des ÖBH werden könnte. Ihre Formulierungen legen nahe, dass die gestrige Pressekonferenz nicht zuletzt deshalb angesetzt wurde, um den Bundespräsidentschafts-Wahlkampf zu beeinflussen. Umso treffender wäre mein Schluss, dass dies dem Herrn BM wichtiger wäre als das Budget."

Dem höflichen Gruß an den Pressesprecher lässt Conrad Seidl noch ein Post-Scriptum folgen:

"Dass ein Sprecher eines Verteidigungsministeriums einen Journalisten durch die Unterstellung einer niedrigen Gesinnung zu diffamieren und denunzieren versucht, kommt sonst eigentlich nur in Staaten mit wenig gefestigter demokratischer Kultur vor. Ihre implizite Drohung, dass Sie sich nicht negativ beeindrucken lassen würden, haben Sie wahrscheinlich nicht so böse gemeint, wie sie rübergekommen ist. Ich meine es auch nicht böse, wenn ich verspreche, mich von Ihnen nicht einschüchtern zu lassen. Ich werde mir erlauben, diesem Schreiben die nötige Öffentlichkeit zu verschaffen."

Was Seidl zumindest insoweit gelang, als der Mailverkehr nun der Unzensuriert-Redaktion vorliegt. Es ist freilich erfirschend, wie Seidl die rotzfreche Intervention des Pressesprechers aufs Korn nimmt. In diesem Fall ist Herr Hirsch offenbar an den Falschen geraten. Dennoch dürfte es sich nur um die Spitze des Eisbergs handeln, denn vielfach werden derartige Mails aus den Ministerien von Erfolg gekrönt sein. Und um sich die Maßregelung durch Chefredakteur oder Herausgeber zu ersparen, werden wohl viele Journalisten schon vorab jede Berichterstattung vermeiden, die ein Regierungsmitglied oder dessen Pressesprecher in Rage versetzen könnte.

Im ebenfalls roten Gesundheitsministerium klappt das immerhin so gut, dass noch kein Journalist es gewagt hat, Alois Stöger nach seiner politischen Verantwortung für den tödlichen Käse-Skandal zu fragen.

Foto auf der Startseite: Friedrich Böhringer

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