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21. Feber 2012 / 23:07 Uhr

Letten lehnen in Referendum Russisch als Amtssprache ab

BildLettland hat wie alle baltischen Staaten als ehemalige Sowjetrepublik eine starke russische Minderheit, nämlich 27 % (2011). Von diesen trifft auf viele der dem Staatenlosen ähnliche Status des „Nichtbürgers“ zu. Bei der letzten Parlamentswahl im September 2011 wurde die Partei der Russen stärkste Kraft. Daraus resultierend fand am Wochenende eine Volksabstimmung statt, Russisch zur zweiten Staatssprache zu machen, die ein klares Nein brachte.

 

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DIe lettische Kultur hat die Russifizierung überstanden.
Foto: Julo / wikimedia / public domain

Die Russifizierung des heutigen Lettland begann bereits in zaristischer Zeit. Die Grundlage dafür, dass Dünaburg (lett. Daugavpils, russ. Dinaburg), die Hauptstadt Lettgallens im Südosten, heute 55 % Russen und 16 % Letten zählt, wurde schon damals gelegt. In Karosta am Rande von Libau (lett. Liepaja), einem der größten Häfen des westlichen Landesteils Kurland, ist die Situation prekär. Die sowjetische Militärbasis war von Libau strikt getrennt, ein Brief dorthin kostete dasselbe Porto wie nach Wladiwostok am Japanischen Meer.

Heute ist Karosta eine verfallende Plattenbausiedlung. Mittendrin steht eine orthodoxe Kirche mit glänzenden Goldkuppeln, in der alte Frauen inbrünstig beten. Ihre Lage ist trostlos: Aus dem „Herrenvolk“ wurde eine ungeliebte, vollends verarmte Minderheit. Nach der Wende verweigerten die Letten den „Besatzern“ die Staatsbürgerschaft. Um am 1. Mai 2004 EU-Mitglied werden zu können, gab Riga schließlich dem Druck aus Brüssel nach. Allerdings müssen Staatsbürgerschaftswerber eine Prüfung über Sprache und Landeskunde bestehen, die es in sich hat. Die Mütterchen in Karostas Kirche würden sie nie schaffen – und das teilweise auch gar nicht wollen. Denn als Lettinnen wären sie automatisch EU-Bürgerinnen und dann wird das Reisen zu Verwandten in Russland aufgrund der Visagebühren deutlich teurer.

Getrennte Feste zum 800-Jahre-Jubiläum von Riga

Als die lettische Hauptstadt Riga im Sommer 2001 ihren 800. Geburtstag feierte versammelten sich die Russen (48 %) am Domplatz und die Letten (46 %) am Freiheitsplatz bei der lettischen Lady Liberty namens Milda. Dass die Russin Marija Naumova 2003 den Eurovision Songcontest für Lettland gewann und die mehrheitlich russische Fußball-Nationalmannschaft Lettlands sich 2004 für die EM-Endrunde qualifizierte und dort Deutschland ein 0:0 abrang, änderte die Stimmung kaum. Dass viele Letten heute ihre russischen Sprachkenntnisse, die ihnen in der Schule eingebläut worden waren, wieder unbefangen verwenden liegt primär an den russischen Touristen.

Russenpartei als Wahlsieger nicht in der Regierung

Die russische Volksgruppe in Lettland stellt ca. zwei Drittel der 14,1 % Nichtbürger. Die eingebürgerten Russen wählen weitgehend geschlossen das „Harmoniezentrum“ des Rigaer Bürgermeisters Nils Ušakovs (die Letten hängen an alle männliche Vor- und Familiennamen ein s, sodass aus der typisch russischen ov-Endung das neolettische -ovs wird). Da die Letten sich auf mehrere Mittelparteien verteilen, sind die Russen nun mit 29 % die stärkste Partei. Eine Chance auf Regierungsbeteiligung hatten sie trotzdem nicht. Auch das Referendum am Wochenende brachte ein deutliches Ergebnis: Bei einer für Lettland ungewöhnlich hohen Beteiligung von 70,5 % stimmten 75 % gegen Russisch als zweite Staatssprache. Politiker beider Seiten riefen jetzt zur Besonnenheit auf und überlegen die Kompromissvariante Russisch als regionale Amtssprache. Die Wunden sind bei den meisten der ungefähr zwei Millionen ethnischen Letten, deren Kultur beinahe ganz untergegangen wäre, einfach noch zu frisch.

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