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11. April 2010 / 11:29 Uhr

Buchtipp: Die vierzig Tage des Musa Dagh von Franz Werfel

„An den armenischen Leichenfeldern wird die Türkei zugrunde gehen“
Aus: Die vierzig Tage des Musa Dagh von Franz Werfel

Franz Werfels Buch erzählt die Geschichte des türkischen Völkermordes an den Armeniern zu Beginn des Ersten Weltkrieges. Nach mehr als 20 Jahren kehrt der Armenier Gabriel Bagradian mit seiner französischen Ehefrau und dem dreizehnjährigen Sohn Stephan zurück in seine alte Heimat, am Fuße des Berges Musa Dagh.

Nachdem ihm und allen anderen Armeniern der Region, sämtliche Ausweispapiere abgenommen wurden und er von der geplanten Vertreibung seines Volkes erfährt versucht er sein Volk darüber zu informieren und seine Familie in Sicherheit zu bringen – doch schon sehr bald wird ihm klar das er nur sehr wenig dagegen unternehmen kann. Er entschließt sich, sich nicht von den Türken verjagen zu lassen und auch nicht wie ein Lamm zur Schlachtbank zu gehen, sondern er arbeitet einen Plan aus. Bagradian fordert alle Armenier auf mit ihm zu kommen und auf den Berg Musa Dagh eine Verteidigungsstellung aufzubauen – auch wenn es keine Hoffnung auf eine Rettung gibt so ist man wenigstens frei gestorben.

Auf den Weg zum Berg Musa Dagh müssen Unglücksfälle gemeistert und eine Verwaltung erst aufgebaut werden. Auch gelingt es den Armeniern die Angriffe der Türken abzuwehren, besser werden die Aussichten dadurch aber auch nicht. Hunger und Entbehrungen fordern ihren Tribut von den sowieso schon geschwächten Menschen. Auch die Unterschiede zwischen den einzelnen sozialen Gruppen der Armenier müssen erst noch überwunden werden.

Vor diesem historischen Hintergrund wird die Geschichte des Bagradian als militärischen Kopf des Widerstandes erzählt – Bagradian war Offizier der Reserve in der türkischen Armee. Werfel geht auch auf die Entwicklung der Ehe des Bagradian ein, wie auch auf die Beziehung zu seinem Sohn, welcher erst seinen Platz in dieser für ihn scheinbaren fremden Welt erst finden muss.

Über vierzig Tage halten die Armenier aus auf dem Berg, vierzig Tage zwischen Verzweiflung und Hoffnung, vierzig Tage zwischen Mut und der Gewissheit doch zu sterben. Am Ende naht Rettung in Form französischer und britischer Schiffe, aber Rettung wohin?

Was aber will der Autor den historisch interessierten Leser mit seinem Werk sagen? Das Widerstand dort zur Pflicht wird wenn Unrecht zu Recht wird? Falls dies der Beweggrund des Autors ist, warum entschließen sich dann immer nur sehr wenige Menschen zum Widerstand? Dem Schreiber dieser Buchbesprechung fällt hier als prägnantestes Beispiel der Völkermord (1994) in Ruanda ein, welcher mit dem Tod von ca. 800.000 bis 1.000.000 Tutsis endete.

Das umfangreiche Werk Werfels ist in drei Büchern gegliedert und erfordert auch für den geübten Leser einiges an Zeit und Konzentration. Für mich selbst war dieses Buch eine ausgesprochen lohnende Lektüre, ein Buch welches Einblicke in ein dunkles Kapitel der türkischen Geschichte gibt. Bedauerlicherweise ist das Leiden der Armenier im Europa des Jahres 2010 kaum bekannt und wird von der heutigen Türkei auch nicht als Völkermord anerkannt. Bei einer Trauerfeier sprach ein Priester folgende Worte:" Wir waren eine Nation, aber erst Franz Werfel hat uns eine Seele gegeben"!

Der Autor des Buches wurde am 10. September 1890 als Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie in Prag geboren. Im Ersten Weltkrieg war Werfel Soldat an der russischen Front wo er seine ersten literarisch bedeutenden Werke verfasste. Nach dem Ende des Krieges ließ er sich in Wien nieder und ehelichte 1929 die Ex-Frau des großen Musikers Gustav Mahler, Alma Mahler-Gropius. In den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts zählte er zu den meistgelesen deutschsprachigen Autoren. Aufgrund der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten wurde er aus der deutschen Dichterakademie ausgeschlossen und emigrierte über Österreich, Frankreich und Spanien in die USA wo er 1955 im Alter von 55 Jahren in Beverly Hills verstarb.

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