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17. April 2012 / 23:55 Uhr

FARC: Wolf im Schafspelz oder Friedenstaube?

Kolumbiens FARC-Guerilleros haben dieser Tage einen Überraschungscoup gelandet: Sie übergaben erste Entführungsopfer dem Internationalen Roten Kreuz. Die sich seit bis zu 14 Jahren in Geiselhaft befindlichen zehn Angehörigen von Militär und Polizei zählen damit zu den am längsten ihrer Freiheit beraubten Menschen weltweit. Mit dieser unerwarteten und daher spektakulären Befreiung wollen die FARC-Rebellen ein deutliches Zeichen setzen. Weiter ungeklärt hingegen bleibt das Schicksal gefangener Zivilisten, deren exakte Zahl nicht mit Bestimmtheit zu benennen ist. Schätzungen zufolge befinden sich noch zwischen 100 und 300 Personen in der Gewalt der Rebellen.

Gastbeitrag von Michael Johnschwager

FARC

FARC

Die FARC-Rebellen haben jeden Rückhalt in der
Bevölkerung verloren. Regelmäßig finden Massenproteste
gegen sie statt. Vor diesem Hintergrund zeigt sich der
neue Anführer nun moderat im Ton.
Foto: Julián Ortega Martínez/equinoXio / flickr (CC BY 2.0)

Dem neuen Anführer der FARC (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia), Timoleón Jiménez, Kampfname Timochenko, ist es bereits Anfang des Jahres gelungen, seine Truppe auf die Titelseiten zu bringen. Kaum an die Spitze des „Secretariado“ genannten Führungszirkels der FARC gerückt, vernimmt die Öffentlichkeit mit ungläubigem Staunen, dass Lateinamerikas bedeutendste Guerilla nach fast einem halben Jahrhundert entschieden hat, künftig auf Entführungen zu verzichten, die mit der Forderung nach Lösegeld einhergehen.

In bis dato nicht gekannter moderater Diktion bekundet der FARC-Anführer seine Absicht, in einen Dialog mit der Regierung von Präsident Juan Manuel Santos treten zu wollen. Dieser wiederum lässt keinen Zweifel aufkommen an seiner Entschlossenheit, den unnachgiebigen Kurs seines Amtsvorgängers Alvaro Uribe nicht zu verlassen. Unmissverständlich beschied er Timochenko & Co., für Verhandlungen erst zur Verfügung zu stehen, wenn auch die letzte zivile Geisel ihre Freiheit wiedererlangt habe. Ausländischen Friedensaktivisten erteilte er eine Absage. Eine Befriedung des Landes sei eine interne Angelegenheit, die von Kolumbianern zu lösen sei, das Thema werde ausschließlich von ihm behandelt.

Internet führt Rebellen ihren schlechten Ruf vor Augen

Fernab der Metropolen nutzen die Aufständischen die Möglichkeiten digitaler Kommunikation. Die Höhe eines Lösegeldes wird festgelegt, nachdem man sich über eine elektronische Anfrage beim Finanzamt anhand der Steuererklärung der Geisel Einblick zu deren Einkommen verschafft hat. Dank mobilen Internets eröffnet sich der nachgerückten FARC-Führung in schwer zugänglichen Bergregionen der Zugang zu ausländischen Medien. Und so erfahren die marxistisch ausgerichteten Aufständischen auf dem Laptop, dass ihr Agieren selbst bei Gesinnungsgenossen außerhalb Kolumbiens auf Ablehnung stößt.

Sollten die Einspielungen von Massenprotesten gegen die FARC es auch auf die Monitore im Dschungel schaffen, würde selbst hartgesottenen „Freiheitskämpfern“ drastisch vor Augen geführt, dass sie ihren vermeintlichen Rückhalt in der Bevölkerung längst eingebüßt haben. Dort hat inzwischen die Erkenntnis Raum gegriffen, dass der bewaffnete Kampf kein geeignetes Instrument darstellt, den aus krassem sozialem Ungleichgewicht resultierenden Konflikt einer Lösung näherzubringen.

Michael Johnschwager, 1949 in Hamburg geboren, war als Außenhandelskaufmann von 1980 bis 1990 in Kolumbien, Venezuela und Honduras privatwirtschaftlich, sowie in Entwicklungsprojekten in Costa Rica in beratender Funktion im Einsatz. Seit 2004 ist Johnschwager als fremdsprachlicher Dozent und Autor mit Schwerpunkt Lateinamerika freiberuflich tätig. Für Unzensuriert.at schrieb er außerdem:

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