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22. April 2012 / 11:15 Uhr

Argentiniens Ausstieg aus dem Globalismus

Aymeric ChaupradeHeute wird in Frankreich ein neuer Präsident gewählt. Einer der Wahlberechtigten ist der französische Geopolitik-Experte Aymeric Chauprade, der in Argentinien ein Vorbild für Frankreich und die übrigen europäischen Länder erkennt. In seinem aktuellen Kommentar lobt er Argentiniens Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner für ihre mutige Politik gegenüber internationalen Konzernen. Eine ähnlich starke Frau wünscht sich Chauprade wohl auch an der Spitze seines Staates. Unzensuriert.at mit einer Übersetzung des Kommentars. Das französische Original finden Sie hier.

Gastkommentar von Aymeric Chauprade

Aymeric Chauprade

Aymeric Chauprade

Der französische Geopolitiker Aymeric Chauprade
Foto: http://blog.realpolitik.tv

Der Internationale Währungsfonds beklagte sich diese Woche, dass Argentinien nach der teilweisen Enteignung des argentinischen Ölkonzerns YPF, der bis zum 16. April vom spanischen Repsol-Konzern mehrheitlich kontrolliert wurde, "unberechenbar" geworden sei.

Unberechenbar? Nein, bloß souverän! Der IWF, das politische und ökonomische Instrument der Vereinigten Staaten, ist bekanntlich ebenso wie Washington und Brüssel immer mehr dahinter, die Souveränität anderer Staaten zu untergraben. Und wenn sich jemand ihrem Zugriff entzieht, dann nennt man das Unberechenbarkeit.

Ich war vom 24. März bis 2. April anlässlich des 30. Jahrestag des Krieges um die Islas Malvinas [Falkland-Inseln]in Argentinien. Dieser Aufenthalt gab mir die Möglichkeit, mir meine eigene Meinung zu einem Land zu bilden, das vom IWF und den bekannten Lehrmeistern im Westen so sehr verleumdet wurde. Mir ist dadurch klargeworden, warum dieses Land so sehr zur Zielscheibe einer Desinformationspolitik wurde, die seinem Image schaden und damit Investoren von einem Engagement abhalten soll.

Argentinien ist das echte Europa

Dieses Land ist in Wirklichkeit das einzige echte Europa, das jemals erfolgreich war. Denn Argentinien ist das echte Europa, das aus den Ruinen unseres Europas überlebt hat. Argentinien ist ein von Europäern errichteter Staat mit einer europäischen Kultur, dessen Identität ein ganz anderes Modell verkörpert als etwa das Modell Brasiliens, das von Brüssel und Washington errichtet wurde. Buenos Aires ist trotz der starken Immigration aus den Anden eine europäische Stadt für Europäer geblieben. Argentinien ist eine große Nation und hat dies unter Beweis gestellt, indem man ganz allein den IWF hinausschmiss, dessen Direktiven bisher immer nur zum Bankrott und zur Versklavung von Völkern geführt hatten. Ebenso wie Russland ist Argentinien dabei, seine Industrie wiederaufzubauen und wieder die Kontrolle über seine Energieressourcen zu übernehmen; die Ergebnisse werden unter Beweis stellen, dass man einen gerechten und vernünftigen Weg verfolgt. Ja, es ist der einzige vernünftige Weg, wenn man sieht, wohin der Globalismus die westlichen Völker geführt hat.

Das Wachstum ist sichtbar (und sogar der IWF konzediert Argentinien, wenn auch halbherzig, eine Wachstumsrate von 4,2% für 2012) und man müsste blind oder böswillig sein, wenn man nicht anerkennt, dass Argentinien, seit es – wie Russland und China – den Weg des Protektionismus und Nationalismus verfolgt, tausendmal besser dran ist, als wenn es weiterhin dem liberalen und pro-amerikanischen Kurs Menems (ein Mann nicht europäischer, sondern libanesischer Abstammung) gefolgt wäre.

Spanischer Repsol-Konzern wurde enteignet

Cristina Kirchner

Cristina Kirchner

Argentiniens Präsidentin Cristine Fernández de Kirchner zeigt Stärke.
Foto: Presidencia de la N. Argentina / Wikimedia (CC BY 2.0)

Aber zurück zu diesem bedeutsamen Ereignis, der Verstaatlichung des großen argentinischen Energie-Unternehmens YPF. Am Montag, den 16. April, entschloss sich die argentinische Präsidentin Cristina Kirchner, ihrem Ruf als eiserne Lady gerechtwerdend und ohne sich im Geringsten durch die Drohungen Madrids beeindrucken zu lassen, zur Enteignung der argentinischen Tochtergesellschaft YPF des spanischen Repsol-Konzerns, die von diesem zuvor zu 57,4% kontrolliert worden war. Nun halten die argentinische Regierung und die Provinzen (im Bundesstaat Argentinien ist die Länderautonomie sehr stark) 51% Anteile an dem Unternehmen. Am Donnerstag, den 19. April, also 3 Tage später, wurde auch das ebenfalls vom Repsol-Konzern beherrschte Unternehmen YPF Gas zu 51% enteignet.

Die beherrschende Stellung des Repsol-Konzerns stammte aus einer Zeit, als argentinisches Eigentum von seiner liberalen Führungsspitze ohne Skrupel ans Ausland verscherbelt und unter Menem, der sich den Vereinigten Staaten zuwandte, vollends mit den Prinzipien der nationalen Unabhängigkeit gebrochen wurde. Diese Politik, der die Zusammenarbeit mit dem IWF folgte, führte das Land in den Ruin. Erst die Rückbesinnung auf die Grundlagen des Peronismus, also einer nationalen und sozialen Politik, ermöglichte es dem Lande, sich wieder zu erholen, und genau dieser Linie folgt auch die jetzige Präsidentin, Cristina Kirchner.

Repsol verweigerte nötige Investitionen

Schon seit einigen Jahren hatten die Kirchners Repsol eindringlich gebeten, die notwendigen Investitionen vorzunehmen, um die zukünftige Energieversorgung Argentiniens in die Wege zu leiten. Doch Repsol tat nichts. Der spanische Konzern hatte genügend Chancen gehabt, um seinen Besitzstand in Argentinien zu erhalten. Er wurde nicht auf überraschende Weise enteignet (und wird auf jeden Fall dafür kompensiert werden), sondern es gingen dieser Maßnahme monatelange Warnungen und Diskussionen zuvor. Die großen globalistischen Konzerne arbeiten leider nur auf kurze Sicht, was sich mit der langfristigen Strategie etwa eines Putin in Russland nicht verträgt. Auch Putin hat den russischen Energiesektor in die eigenen Hände genommen, um eine Nutzung der Ressourcen durch Russland zu ermöglichen und ihm seine energetische Zukunft zu erhalten.

Argentinien hat ebenso wie Russland der Welt den Beweis dafür geliefert, dass das Ziel der Wiedergesundung und der Freiheit der Völker nur durch die nationale Unabhängigkeit und den Bruch mit sämtlichen Konstrukten des Globalismus (IWF, Weltbank, Europäische Union, NATO …) zu erreichen ist.

„Ich werde für Argentinien stimmen!“

Eine solche Politik ist nicht nur möglich, sondern sie zeigt bereits in vielen Ländern ihre Früchte. Heute, am Sonntag, den 22. April, werde ich als Franzose anlässlich der französischen Präsidentschaftswahlen für die französische Chance des Ausstiegs aus dem Globalismus stimmen. Ich werde für Argentinien stimmen!

Aymeric Chauprade ist Professor für Geopolitik, Herausgeber der "Revue Française de Géopolitique" und Autor des Nachschlagewerks "Géopolitique, constantes et changements dans l’histoire" [Geopolitik – Konstanten und Veränderungen in der Geschichte]. Mehr von Professor Chauprade im Internet unter http://www.realpolitik.tv/ und http://edition.realpolitik.tv/

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