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3. Mai 2012 / 10:16 Uhr

“Kuma” – Ein Film über das Leben der türkischen Parallelgesellschaft

Am Freitag lief in den österreichischen Kinos „Kuma“ an. Der Titel ist die türkische Bezeichnung für Zweitfrau. Im Mittelpunkt des Films steht eine türkische Familie in Wien, deren Mitglieder allesamt unter den gesellschaftlichen Normen ihres Herkunftslandes leiden.

Kuma

Kuma

Im Mittelpunkt des Films steht das 19-jährige Mädchen Ayşe.
Foto: Screenshot Youtube

Es beginnt mit einem Fest in den anatolischen Bergen. Die 19-jährige, entzückende Dorfschönheit Ayşe heiratet den smarten Wiener Werkstudenten Hasan. Die Szenerie ist eine Farce, ist Ayşe doch in Wirklichkeit für Hasans reiferen Vater Mustafa gedacht. Eingefädelt hat das ausgerechnet Mustafas Frau Fatma, die dem Tod geweiht ist und für ihre Familie alles geregelt wissen will. Diese Familie hat sechs Kinder. Der neben Hasan zweite erwachsene Sohn lebt in der BRD. Kezban fühlt sich von der Mutter nicht geliebt und wird in ihrer von den Eltern arrangierten Ehe geschlagen. Nurcan ist noch zu Hause und rebelliert gegen Kopftuch und andere Zwänge. Elmaz und ihr Bruder Mehmet sind noch Pflichtschüler. Mit der neuen Situation kann niemand umgehen. Das eigentliche Familienoberhaupt Mustafa ist mehr ein großväterlicher gutmütiger Statist. Fatma leidet, wenn sie zwischen ihren Chemotherapien und Operationen das Treiben im Ehebett nebenan hört, entwickelt aber zu der herzensguten Ayşe, die sie zur Nachfolgerin ausbildet, eine tiefe Freundschaft. Während die beiden Kleinen ratlos reagieren, verfolgen die beiden erwachsenen Töchter Kezban und Nurcan die Zweitfrau des Vaters mit blankem Hass.

Dass die Sprache des Films Türkisch mit deutschen Untertiteln ist, macht die Sache lebensechter. Außerdem wären einige Szenen sonst sehr schwer handzuhaben gewesen, etwa wenn sich Kezban und Nurcan gegenüber Hasan über Ayşe in deren Anwesenheit auslassen, und das in Deutsch, das der Neuankömmling noch nicht versteht. Als Hasan rücksichtsvoll meint, ob man jetzt nicht vielleicht Türkisch sprechen könne, antworten die beiden nur: „Der Dorftrampel soll Deutsch lernen!“ Als Ayşe Erkan zur Welt bringt, entspannt sich die Situation – allerdings nur kurz: Ein zweites Mal schwenkt die Handlung ins anatolische Bergdorf, zu einer tränenreichen Beerdigung mit einer bösen Pointe: Es trifft nicht Fatma, die ihren Krebs besiegt hat, sondern Mustafa. Damit fällt der Haupternährer der Familie aus. Es wird andiskutiert, Ayşe zu ihrer Familie zurückzuschicken, was eine gesellschaftliche Katastrophe für sie wäre. Sie bittet, arbeiten gehen zu dürfen und fängt im türkischen Supermarkt ums Eck an. Als ihre Sympathie für ihren Proforma-Ehemann Hasan zunimmt, beichtet ihr dieser unter dem Siegel der Verschwiegenheit, dass er schwul ist. Er ist diese Ehe nicht nur eingegangen, um den vermeintlich letzten Wunsch der Mutter zu erfüllen, sondern auch um „endlich Ruhe zu haben“. Ayşe erwidert nun die Liebe zum jungen Kollegen Osman, mit dem sie oft nach Dienstschluss alleine weiterarbeiten muss. In eines der Schäferstündchen platzt durch eine Verkettung unglücklicher Umstände die Familie. Fatma zerrt Ayşe an den Haaren nach Hause, wo Kezban und Nurcan mit Müh und Not verhindern können, dass die Ertappte erschlagen wird.

Blick durch das Schlüsselloch

Das interessante Duo im Hintergrund des Films: der österreichische Produzenten-Grande Veit Heiduschka und der Nachwuchs-Regisseur Umut Dag, der als Kind kurdischer Eltern in Wien aufwuchs und noch 2010 Werbefilmchen für die SPÖ drehen musste. „Kuma“ spielt ausschließlich in der türkischen Parallelgesellschaft – für alteingesessene Österreicher umso sehenswerter: Sie können wie durch ein Schlüsselloch in die Nachbarswohnung hineinschauen, die Menschen unter den Kopftüchern und die fremde Wertewelt entdecken.

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