Durch den Lissabon-Vertrag verliert zwar Österreich einen großen Teil seiner Souveränität an die EU, die nationalen Parlamente hingegen gewinnen Mitspracherechte. Wer sie wahrnehmen soll – Nationalrat oder Bundesrat – darüber herrscht noch Uneinigkeit.
Einerseits berät derzeit der Verfassungsausschuss des Nationalrats, wie der Lissabon-Vertrag in nationales Recht umgesetzt werden soll, andererseits befürchtet der Bundesrat bereits eine Schlechterstellung und hat daher selbst einen Gesetzesantrag an den Nationalrat gestellt – eine ungewöhnliche Vorgehensweise.
Grund: Der Gesetzesentwurf der Regierungsparteien erweckt für die Bundsräte den Eindruck, als wolle der Nationalrat die Länderkammer ein wenig auf Distanz halten. Der Antrag des Bundesrats sieht daher vor, dass die bindenden Stellungnahmen des Bundesrates zu Vorhaben der EU jenen des Nationalrats gleichgestellt werden. Auch bei der sogenannten Subsidiaritätsklage (Klagemöglichkeit der Parlamente beim Europäischen Gerichtshof gegen Verstöße gegen das Subsidiaritätsprinzip, wonach Entscheidungen auf der unterstmöglichen politischen Ebene fallen müssen) stellt sich der Bundesrat auf die Hinterbeine und will auch ohne Nationalrats klagen können.
Die FPÖ-Bundesräte haben dem Antrag nicht zugestimmt. Monika Mühlwerth argumentierte mit der freiheitlichen Linie gegen den Lissabon-Vertrag. Auch sei das Ergebnis der Verfassungsklage der FPÖ gegen den Vertrag noch abzuwarten: "Solange diese Klage nicht entschieden ist, können wir leider substanziellen Dingen, wie sie dieser Antrag darstellt, nicht zustimmen – so leid mir dies vom Inhalt her tut."
Die anderen Parteien hingegen hatten kein Problem damit, das Fell des Bären zu verteilen, bevor er endgültig erlegt ist.
Artikel teilen