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30. Juni 2012 / 23:00 Uhr

Streit nach Leserbrief eskaliert: Burschen vor Gericht

Norbert Weidner, Chefredakteur der Burschenschaftlichen Blätter – des Verbandsorgans der Deutschen Burschenschaft (DB), die ca. 120 Mitgliedsbünde aus der Bundesrepublik und der Republik Österreich vereint – geht juristisch gegen Verleumder und Zuträger der Presse vor. Weidner war medial in die Kritik geraten, weil er sich 2011 in einem internen Mitteilungsblatt seiner Bonner Burschenschaft kritisch mit dem Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime, Dietrich Bonhoeffer (1906-1945), auseinandergesetzt hatte. Der Amtsträger der DB wollte damals Bonhoeffer nicht vollumfänglich als Vorbild gelten lassen.

Weidners Leserbrief wurde im Vorfeld des Burschentages den Medien zugespielt, die ihn daraufhin skandalisierten. Der Burschentag stellt als DB-Parlament das höchste Gremium des Verbandes dar und ist traditionell eine politische Arena, in der konservative und liberale Burschenschafter über die Ausrichtung des Dachverbandes debattieren. Trotz medialen Drucks (Spiegel-Online, Frankfurter Rundschau, ZEIT) verfehlte ein gegen Weidner gerichteter Absetzungsantrag auf dem Burschentag im Eisenach die nötige Mehrheit.

Medien begeistert von „Kämpfer gegen Rechts“

Das einschlägige Medieninteresse ist einem Novum in der fast zweihundertjährigen Geschichte des traditionsreichen Dachverbandes geschuldet: Ein Mitglied von Weidners Bonner Burschenschaft, Christian J. Becker (Hamburg), stellt sich seit einigen Monaten ausgewählten Medien als Zuträger zur Verfügung. Als politisch korrekter "Kämpfer gegen Rechts" "twittert" er gegen angeblich 1500 "Rechtsextreme" und "Nazis" in seinem ca. 10.000 Akademiker und Studenten umfassenden Dachverband an. Dabei vermischt er Tatsachen mit Vermutungen und Verschwörungstheorien. Ebenso einmalig dürfte die mediale Unterstützung sein, über die der selbsternannte antirechte "Whistleblower" verfügt. So griffen insbesondere linksliberale "Leitmedien", aber auch die in Nähe zum Linksextremismus agierende Berliner TAZ die aufbereiteten "Burschen-Interna" und Vorwürfe aus den eigenen Reihen auf. Für die Frankfurter Rundschau (FR) ist seit dem Burschentag die gesamte Deutsche Burschenschaft "offiziell rechtsextrem".

Die Medien im Kampagnenmodus verbindet eine Grundtendenz: Politisch unkorrekte Meinungsabweichler jeder Facon sollen angeprangert und aus dem Diskurs ausgegrenzt werden. Diese Tendenz trifft den Integrations- und Eurokritiker Thilo Sarrazin genauso wie klassische linke Feindbilder: konservative und patriotische Studentenverbindungen und ihre Integrationsfiguren. Demgemäß bezeichnete die TAZ Sarrazin als "alte Hure", für die kurdischstämmige FR-Kolumnistin Mely Kiyak stellt der halbseitig gelähmte Euro-Kritiker eine "lispelnde, stotternde, zuckende Menschenkarikatur" dar. Gegen die TAZ geht Sarrazin mittlerweile gerichtlich vor.

Weidner klagt gegen Vorwürfe

Die ökonomisch mit der SPD verbundene FR bedachte 2011 die Vorstellung einer Burschenschafter-Studie über Anschläge auf Mitglieder und Häuser von Verbindungsstudenten (darunter schwere Brandanschläge) mit süffisanten Kommentaren. Chefredakteur Weidner, dessen Burschenschaft dem konservativen Lager zuzurechnen ist, ist seit Wochen Ziel zahlloser medialer Angriffe, die vom "Burschen-Blog" des Christian J. Becker angeschoben werden. Dabei reitet der selbsternannte Kritiker insbesondere auf Weidners über zwanzig Jahre zurückliegende Mitgliedschaft in einer rechtsgerichteten Splitter-Partei herum, die 1992 verboten wurde. Weidner stieg 1995 aus der damaligen Szene aus, wurde mehrfach nahezu einstimmig in DB-Ämter gewählt und trat 1999 der FDP bei. Laut Becker soll Weidner heute Kopf einer "rechtsextremen Geheimorganisation" sein und die Emailkonten von Kritikern hacken.

Gegen diese Behauptungen geht der Amtsträger der DB nun zivilrechtlich und auch strafrechtlich vor. Bald stehen sich also Mitglieder derselben Burschenschaft in einem in Teilen politischen Prozess gegenüber. Der Fall könnte Schule machen: Durch mediale Unterstützung können selbsternannte "Kämpfer gegen Rechts" über sich hinaus wachsen, biographische Miniaturen zu "Experten" und "Ansprechpartnern" avancieren und O-Töne ungeprüft lancieren – auch wenn ihre Motivation zweifelhaft ist. Kenner des Verbandes gehen mittlerweile von einer nicht allein politischen Motivation des Blogbetreibers aus, der im Verband DB bislang völlig unbekannt war. Sie vermuten eine von langer Hand geplante Kampagne, zudem ist von einem "Deal" zwischen Becker, der Geschäftsführer einer Hamburger PR-Agentur ist, und den Medien die Rede. 

Burschenschafter distanzieren sich von ihrem „Retter“

Die DB geht unterdessen deutlich auf Distanz zu ihrem "Retter", selbst die Interessengemeinschaft der liberalen Burschenschaften ("Initiative burschenschaftliche Zukunft") lehnt eine Kooperation mit Christian J. Becker und den Medien kategorisch ab. Seine Bonner Burschenschaft hat dem bislang jahrelang Ferngebliebenen den "Rat zum Austritt" erteilt, ein Ausschlussverfahren steht kurz vor dem Abschluss. Dabei dürften weitere juristische Auseinandersetzungen nicht auf sich warten lassen. Mehrere Betroffene haben begonnen, zivil- und strafrechtlich gegen Becker vorzugehen.

Im Vorfeld des Prozesses am kommenden Mittwoch in Bonn stellte sich erwartungsgemäß das entsprechende Medienecho ein, den Anfang machte Die ZEIT. Christian J. Becker hat unterdessen mit seinem Anwalt, einem gewissen Ali Özkan, eine neue Figur in das Spiel eingeführt. Für den Scheidungsanwalt aus Hamburg sei die Verhandlung "keine wie andere auch", insbesondere nicht nach den "Morden der NSU", ließ er sich gegenüber der Presse ein. Becker und sein Rechtsbeistand setzen vollständig auf die politische Karte, die bei Gericht stechen soll. Das Kalkül der sich medial als Ankläger und Richter inszenierenden ist simpel: Aufgrund des medialen Drucks werde das Gericht bestätigen, dass sie "Wertungen" bis zu bloßen kompromittierenden Behauptungen dehnen dürfen. Das Urteil könnte – wie das aktuelle, aber auch weitere Engagement des Christian J. Becker – exemplarisch sein.

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