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11. Juli 2012 / 11:25 Uhr

Lust am Souveränitätsverlust?

Thilo Sarrazin brachte es jüngst im Interview in der Tageszeitung Die Presse unaufgeregt, aber deutlich auf den Punkt: „Faktisch ist der ESM ein Missbrauch, um südeuropäischen Konsum mit nordeuropäischen Ressourcen zu finanzieren.“

Kommentar von Barbara Rosenkranz

Tatsächlich ist es so, dass mit der Einführung des sogenannten Stabilitätsmechanismus (ESM) die ursprünglichen Bedingungen der gemeinsamen Währung auf den Kopf gestellt werden.  Die „No-Bail-out-Klausel“, die besagt, dass kein Land seine Schulden auf die anderen überwälzen darf, sollte sicher stellen, dass keines der siebzehn so unterschiedlichen Euro-Länder die anderen Staaten mit in die Pleite zieht. Die Klausel war also genau nicht(!) ein Geburtsfehler, wie von den ESM-Befürwortern heute behauptet wird, sondern ein fester Grundsatz bei der Gründung der Währungsunion.

Haushaltsdisziplin ist Geschichte

Eben diesen festen Grundpfeiler, die „No-Bail-out-Klausel“, reißt der ESM ein. Er zwingt die soliden Volkswirtschaften zur Finanzierung der Schulden derer, die über ihre Verhältnisse gelebt haben. Haushaltsdisziplin als Grundlage für die Stabilität der gemeinsamen Währung ist damit endgültig Geschichte. Die europäische Währungsunion entwickelt sich von der einst angestrebten Stabilitätsgemeinschaft zur Haftungs- und Schuldengemeinschaft. Unter dem Vertrauen erheischenden Motto „Leistung, Gegenleistung, Konditionalität und Kontrolle“ (O-Ton Merkel) wird durch den Fiskalpakt auch gleich das Budgetrecht aller(!) nationalen Parlamente kassiert und damit die Demokratie massiv beschädigt.

Sarrazin hält den verantwortlichen Politikern zu Gute, dass sie von Währungspolitik so viel Ahnung haben wie vom Arzneimittelrecht, nämlich gar keine. Aufgefallen aber sollte ihnen sein, dass sie die Argumente von einst für die Debatte von heute in ihr Gegenteil verkehrt haben. Den Vorwurf der Täuschung und des Wortbruches muss sich die politische Klasse daher durchaus gefallen lassen.

Faymann als Freund der Nehmerländer

Unseren österreichischen Entscheidungsträgern – allen voran Bundeskanzler Faymann – kann man zudem eine regelrechte Lust am Souveränitätsverlust attestieren. Anstatt in Sachen ESM, Fiskalpakt und Eurobonds die Interessen Österreichs als Geberland zu vertreten und sich gegen die Vergemeinschaftung der Schulden zu stemmen, stellt er sich an die Seite der südeuropäischen Nehmerländer – absurd! Freilich brachte diese Haltung Faymann den Applaus der mediterranen Staaten ein, die ihn als „unser neuer deutschsprachiger Freund“ bezeichnen – ein höchst fragwürdiger „Ehrentitel“. Lob kommt auch von der heimischen Medienlandschaft  Die Aufgabe der österreichischen Interessen wird als „selbstbewusstes Auftreten in Brüssel“ bezeichnet. Und wer vom schwarzen Vizekanzler eine Gegenposition erwartet hatte, der wurde enttäuscht. Es werden die österreichischen Steuerzahler sein, die für dieses vermeintliche „Selbstbewusstsein“ zahlen müssen.

Die etablierte politische Klasse in Österreich schwankt zwischen einer völligen Selbstüberschätzung, Österreich könnte den Euro retten, und einem peinlichen Minderwertigkeitskomplex, der es den Entscheidungsträgern offensichtlich unmöglich macht Österreichs Interessen deutlich zu vertreten. Dazu kommt, dass es für die österreichischen Großparteien bequem ist, die Verantwortung von Wien nach Brüssel zu verlagern. Wenn auch das heimische Budget von der EU diktiert wird, werden Entscheidungen tatsächlich „alternativlos“.

Finnland zeigt die Alternative auf

Dass man auch als kleines Mitgliedsland eine starke eigene Politik innerhalb der EU vertreten kann, zeigt derzeit Finnland. Helsinki hatte angekündigt, den Kauf von Staatsanleihen durch den ESM blockieren zu wollen. „Gemeinschaftliche Verantwortung für die Schulden und das Risiko anderer Länder ist nicht, worauf wir uns vorbereiten müssten“, erklärte die finnische Finanzministerin Jutta Urpilainen. So schaut selbstbewusstes Eintreten für die eigenen Interessen aus.

Barbara Rosenkranz schreibt auf www.zurueckzurvernunft.at.

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