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4. August 2012 / 10:42 Uhr

Neue Gönner: Die Hamas ist wieder im Kommen

Während die palästinensische Autonomiebehörde darum kämpfen muss, ihre Beamtengehälter auszuzahlen, setzt die militante Gruppe Hamas auf Lobbying und Ausbau von freundschaftlichen Kontakten mit den Staats- und Regierungschefs in der gesamten arabischen Welt. Unzensuriert.at mit der Übersetzung einer Analyse von Jonathan Schanzer für das US-Portal Foreign Policy.

Die Nahoststaaten haben schon immer für die Unterstützung der palästinensischen Sache ihre Kassen geöffnet – aber jetzt gehen die Mittel zunehmend in eine Richtung, die einen neuerlichen Konflikt mit Israel heraufbeschwören könnte.

Autonomiebehörde mit massiven Geldsorgen

Auf der anderen Seite scheint die von den USA unterstützte palästinensische Autonomiebehörde (PA) sich mehr und mehr in Richtung Armenhaus zu bewegen. Selbst nach einer versprochenen Geldinjektion von 100 Millionen Dollar von Seiten der Saudis (die noch nicht ausgezahlt wurde) wird die PA noch unter ihrem schlimmsten Liquiditätsengpass seit Jahren zu leiden haben. Ihr geschätztes Haushaltsdefizit für 2012 beläuft sich auf 1 Milliarde Dollar, was zur Folge hatte, dass Beamtengehälter bereits nicht mehr ausgezahlt werden können. Doch die Führer im Nahen Osten zeigen gegenüber ihrer langjährigen Klientel und deren Budgetnöten wenig Interesse; ihre Unterstützungszusagen blieben jedenfalls vorerst unerfüllt.

In der Zwischenzeit ist es der Hamas, also jener islamistischen Fraktion, die der PA im Jahr 2007 auf gewaltsame Weise die Kontrolle über den Gazastreifen abgerungen hat, gelungen, in ungeahntem Ausmaß das Wohlwollen neuer Verbündeter zu erwerben. Nach einer Durststrecke, wo es schien, dass die Großzügigkeit des Iran gegenüber der Hamas nachgelassen hätte und die vom syrischen Präsidenten Baschar al-Assad in Syrien entfesselten blutigen Kämpfe die externen Führungskräfte der Gruppe gezwungen hatte, von ihrem Hauptsitz in Damaskus zu fliehen, scheint es, dass die Gruppe nunmehr wieder soliden Boden unter den Füßen gewonnen hat.

Katar als neuer Förderer der Hamas

Diesen glücklichen Umschwung hat Hamas zwei der aufstrebenden sunnitischen Machtblöcke im Nahen Osten zu verdanken.

Der Staat Katar ist still und heimlich zum großzügigsten neuen Wohltäter der palästinensischen islamistischen Partei geworden, auch wenn er ansonsten ein loses Bündnis mit Washington pflegt, dessen Rückgrat seine Gastgeberrolle für einen wichtigen US-Luftwaffenstützpunkt und nunmehr auch für eine Raketenabwehr-Station ist. Im Februar hatten Hamas-Funktionäre bekannt gegeben, dass sie mit der Regierung Katars ein Übereinkommen über 250 Millionen Dollar für Wiederaufbau-Projekte in dem von der Hamas kontrollierten Gazastreifen unterzeichnet hätten. Wie weiteren Medienberichten zu entnehmen ist, stellt Doha darüber hinaus auch finanzielle Mittel für Sport– und Wohnprojekte im Gazastreifen bereit.

Hamas-Hauptquartier von Damaskus nach Doha verlegt

Der größte Nutznießer der Unterstützung von Seiten der Kataris ist vermutlich Khaled Meshal, der Leiter der Außenoperationen der Hamas. Als Assads Vorgehen gegen Syriens überwiegend sunnitische Opposition immer blutigere Ausmaße annahm, hieß es in einem Bericht von Asharq al-Awsat im Februar, dass Meshal das Hamas-Hauptquartier in Damaskus endgültig verlassen und seine Tätigkeit künftighin in Katar ausüben werde. Es scheint nun tatsächlich so zu sein, dass Katar das neue globale Hauptquartier des Hamas-Politbüros geworden ist: Ein Untersuchungsbericht des amerikanischen Kongresses vom Juni 2012 bestätigt den Umzug Meshals nach Doha und stellt fest, dass das Golf-Emirat der Ort sei, "von wo aus er seine regulären Kontakte mit Vertretern in der Region pflegt."

Die Kataris scheinen der Hamas auch dabei behilflich zu sein, sich wieder stärker in das sunnitische Umfeld einzufügen. Das ist ein gar nicht so leichtes Unterfangen, wenn man bedenkt, dass die Hamas lange auf iranische Almosen angewiesen war und als Verbündeter der Mullahs für Raketenangriffe und Selbstmordanschläge auf Israel verantwortlich zeichnete, die Hunderte Todesopfer forderten. Während die iranische Waffen-Pipeline immer noch zu funktionieren scheint, ist die iranische Wirtschaftshilfe, soweit bekannt, auf die Finanzierung kleinerer Bauvorhaben zusammengeschrumpft – jedenfalls eine günstige Gelegenheit für Katar, als Ersatzsponsor einzuspringen. Ende Januar etwa begleitete der katarische Kronprinz Scheich Tamim bin Hamad Al-Thani eine Hamas-Delegation nach Jordanien; es war der erste offizielle Besuch der Gruppe in Jordanien, seit sie von dort durch den jordanischen König Abdullah im Jahr 1999 vertrieben worden war.

Auch Erdogan überweist hunderte Millionen an Hamas

Die islamistische Regierung der Türkei hat die Hamas ebenfalls ins Herz geschlossen, und zwar wirtschaftlich wie auch diplomatisch. Im Dezember hatte das im Westjordanland in der Stadt Beit Sahour ansässige International Middle East Media Center unter Berufung auf türkische Quellen mitgeteilt, dass der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan "das Finanzministerium angewiesen habe, 300 Millionen Dollar für die Hamas-Regierung in Gaza bereitzustellen." Die Hamas dementierte diese Meldung zwar, doch die Nachrichtenagentur Reuters und die gut informierte israelische Zeitung Haaretz veröffentlichten in der Folge Berichte, welche diese finanzielle Beziehung unter Berufung auf verschiedene Quellen bestätigten.

Jonathan Schanzer ist stellvertretender Forschungsleiter der Foundation for Defense of Democracies und der Autor des Buches „Hamas vs. Fatah: The Struggle For Palestine“. Er twittert unter @JSchanzer.

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