
Kokainkonsum soll öffentlich gemacht werden, wenn er angeblich einen ehemaligen FPÖ-Politiker betrifft, nicht aber, wenn der Verantwortliche für die milliardenschweren Staatsbeteiligungen von Vorwürfen betroffen ist. So lautet die absurde Argumentation von Falter-Chefredakteur Florian Klenk.
Foto: Marce Verch / flickr (CC BY 2.0)Twitter 17. Juni 2020 / 12:14
Wilder Journalisten-Streit nach Veröffentlichung von Gudenus-Fotos beim Drogenkonsum
Die Kurier-Veröffentlichung von Informationen aus einem Bericht der „SOKO Tape“ im Bundeskriminalamt samt Fotos, die den ehemaligen FPÖ-Politiker beim Konsum von Kokain zeigen sollen, sorgt für bemerkenswerte Reaktionen. Vor allem Journalisten äußern sich zahlreich, politisch zieht die FPÖ daraus ihre Schlüsse.
Streit zwischen Falter-Chef und Standard-Journalist
Gegenpole in der Debatte sind zwei Journalisten, die ideologisch beide im linken Spektrum verortet werden: Florian Klenk vom Falter und Fabian Schmid vom Standard. Kern der Aufregung ist der Umstand, dass gegen Gudenus kein Drogen-Verfahren anhängig und die Veröffentlichung der Bilder des vor mehr als einem Jahr aus der Politik völlig zurückgetretenen Privatmann medienrechtlich höchst umstritten ist.
Klenk für Veröffentlichung gegen „Drogen-Hardliner“ Gudenus
Klenk rechtfertigt dennoch in einer ganzen Serie von Tweets die Veröffentlichung in dem ÖVP-nahen Medium. Primär argumentiert er damit, die Veröffentlichung wäre Gudenus zuzumuten, weil er selbst als Politiker immer ein hartes Vorgehen gegen Drogenkonsumenten gefordert habe.
Warum darf man die Koksfotos zeigen? Es geht darum dass politisches Handeln (Forderung mach hohen Strafen für Drogenkonsum) und privates Verhalten (selbst Drogen konsumieren) diametral entgegen stehen. Genau da überwiegt „public interest“ gegenüber „private live“. #Pressefreiheit
— Florian Klenk (@florianklenk) June 16, 2020
Gleichzeitig für Schonung von ÖBAG-Vorstand Schmid
Dieser Umstand wiegt für den Falter-Chefredakteur schwerer als Gudenus‘ Rückzug ins Privatleben. Diese Sichtweise hatte er bereits am 6. Juni angedeutet, als er Kritik an einer profil-Veröffentlichung über ein angebliches Drogenverfahren gegen den aktuellen Alleinvorstand der Staatsholding ÖBAG, Thomas Schmid, eine der engsten Vertrauten von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), äußerte.
Kleine persönliche Überlegungen aus aktuellem Anlass.
Soll man es öffentlich machen, wenn Personen des öffentlichen Interesses durch einen Zufallsfund im Verdacht stehen Drogen zu konsumieren? Ich finde: nein, es sei denn sie fordern selbst harte Strafen für Suchtkranke.— Florian Klenk (@florianklenk) June 5, 2020
ÖBAG-Vorstand verwaltet milliardenschwere Beteiligungen
Thomas Schmid jedoch ist keineswegs zurückgetreten. Im Gegenteil: Er ist verantwortlich für staatliche Unternehmensbeteiligungen im Wert von rund zwanzig Milliarden Euro. Dennoch hätte Klenk seine angeblichen Drogenprobleme lieber unter den medialen Teppich gekehrt. Dieser Widerspruch rief den Standard-Journalisten Fabian Schmid auf den Plan
Warum sind die Gudenus-Fotos relevant? Er ist zurückgetreten. Aber es geht sich offenbar für manche sogar aus, wegen Berichten zu Ermittlungen gegen Öbag-Manager nach Suchtmittelg. zu moralisieren; und dann einen Ex-Politiker mit heimlich gemachten Foto des Konsums zu verarschen
— Fabian Schmid (@fabian_schmid) June 16, 2020
Twitter-Nutzer vermuten ÖVP-Strategie
Die wahrscheinliche Strategie hinter der Veröffentlichung wurde im Journalisten-Diskurs kaum angesprochen, wohl aber von anderen Twitter-Nutzern:
Hm, was würde ich machen, wenn ich Spuren verwischen will, die direkt zu mir führen? Ich weiß! Einfach einem Medium, das mir wohlgesonnen ist, über mehrere Ecken Dokumente zukommen lassen, die meinen ehemaligen Partner schlecht dastehen lassen. Dann redet keiner mehr über mich 😊
— Shoura Hashemi (@ShouraHashemi) June 16, 2020
Auf diesen Vorwurf ging Richard Grasl, Mitglied der Kurier-Chefredaktion, wenig überzeugend ein. Die Mitglieder der freiheitlichen U-Ausschuss-Fraktion antworteten auf ihrem Twitter-Kanal „Der schwarze Faden“:
Aber nur wenn man ein zweites findet, dass sich auf dieses unterirdische Niveau begibt.
— Der schwarze Faden (@Schwarzer_Faden) June 16, 2020
ÖVP-Vernebelungsstrategie vor Kurz-Einvernahme
Die FPÖ nahm die Kurier-Geschichte auch zum Anlass für zwei Presseaussendungen. Fraktionsführer Christian Hafenecker, der noch am Dienstagvormittag in einer Pressekonferenz eine Vernebelungs-Strategie vor den nächste Woche anstehenden Einvernahmen wesentlicher ÖVP-Akteure wie Kanzler Sebastian Kurz oder Finanzminister Gernot Blümel angekündigt hatte, fühlte sich durch den Bericht in seiner Befürchtung bestätigt. Überraschend sei nur, „dass man offenbar völlig darauf verzichtet, Spuren zu verwischen, und die Nebelgranate über die inoffizielle Parteizeitung Kurier zündet“.
FPÖ sieht Gudenus als Vorbild für ÖBAG-Schmid
Angesichts der gegen Gudenus erhobenen Anschuldigungen stellte Hafenecker fest, dass dieser unmittelbar nach der Veröffentlichung des Ibiza-Video von allen Ämtern und Funktionen zurückgetreten sei und seine politische Karriere beendet habe. „Ein derart einsichtiges und konsequentes Verhalten würde man aktuell von jenem Mann erwarten, der rund 20 Milliarden Euro an Staatsbeteiligungen, also die wirtschaftlichen Schätze der Republik verwaltet“, verwies Hafenecker auf die aktuellen Drogenvorwürfe gegen ÖBAG-Alleinvorstand Thomas Schmid, einer der engsten Vertrauten von Kanzler Kurz.
Hafenecker fordert sofortige Auflösung der SOKO Tape
Am Mittwoch legte Hafenecker nach und forderte angesichts des „Leaks“ die sofortige Auflösung der SOKO Tape. „Anstatt kriminalpolizeilicher Arbeit im Interesse der Republik betreibt die SOKO Tape nur Öffentlichkeitsarbeit im Interesse der ÖVP“, fasste Hafenecker das Wirken der Truppe und insbesondere ihres Leiters Andreas Holzer zusammen.
