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Wolfgang Sobotka

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) will trotz dem Vorwurf der Befangenheit den Vorsitz im “Ibiza”-Untersuchungsausschuss nicht abgeben.

15. Dezember 2020 / 11:10 Uhr

SPÖ schäumt: „Sobotka ist der Prototyp für die Verfilzung in diesem Land“

In einer Pressekonferenz zogen SPÖ und Neos Zwischenbilanz über den parlamentarischen „Ibiza“-Ausschuss. Sie kommen zum Ergebnis, dass das „System Kurz“ Übel und Ursache der mutmaßlichen Käuflichkeit der Bundesregierung war und ist.

Schwarze “Deals” im Hintergrund

Die Fraktionsführer von SPÖ, Jan Krainer, und Neos, Stefanie Krisper, die gemeinsam vor die Presse traten, sagten unisono:

Es hat sich im Laufe des Ausschusses herausgestellt, dass es sich um eine türkise Angelegenheit gehandelt hat, weniger um eine blaue. Und es stellte sich heraus, dass die ÖVP auf Du und Du mit Novomatic war. Und dass es Deals im Hintergrund gab.

Es wäre um Lizenzen für den Glückspielkonzern gegangen, im Gegenzug, so Krainer, habe es Zuwendungen an ÖVP-nahe Vereine gegeben.

Aufregung um Alois-Mock-Institut

Im Fokus der Vorwürfe von SPÖ und Neos steht Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), dem Krainer gar attestiert:

Sobotka ist der Prototyp für die Verfilzung in diesem Land.

Es gebe konstant Aufregung um das Alois-Mock-Institut, dem Sobotka vorstehe und das von Novomatic gesponsert wurde, schreibt auch die Kronen Zeitung. Interessantes Detail dazu: Als Chef des Instituts wusste Sobotka in der Ausschuss-Befragung nicht einmal, in welcher Straße sich der Verein befindet.

Auch die Aussage Sobotkas zu seiner Verteidigung ließ tief blicken:

Für Inserate oder Übernahme von Kosten gab es immer Gegenleistungen, also war alles in Ordnung.

“Für ein Inserat gibt es ein Gegengeschäft”

Wie berichtet, äußerte sich der Nationalratspräsident ganz ähnlich erst vor wenigen Tagen auf oe24. Da raubte Sobotka auch noch dem letzten Gutgläubigen die Illusion, dass es in Österreich so etwas wie eine Pressefreiheit gebe. Im Gespräch mit Oe24-Chef Wolfgang Fellner meinte der ÖVP-Mann ungeniert:

(…) Sie kennen das Geschäft ja, für ein Inserat gibt´s a Gegengeschäft, oder?

Darauf Fellner:

Ja, natürlich.

Sobotka entlarvt ÖVP-Praktiken

Damit hat Sobotka die ÖVP-Praktiken vor laufender Kamera entlarvt und allen Kritikern, die der schwarz-grünen Regierung mit der Medienförderung in Millionenhöhe Kauf der Berichterstattung vorwerfen, recht gegeben. So wird es also gemacht: Die Regierung schaltet ein Inserat und bestellt sich auf diese Weise wohlwollende Berichterstattung.

Dass Sobotka trotz eindeutiger Befangenheit Vorsitzender des „Ibiza“-Untersuchungsausschusses ist, wird von den Oppositionsparteien heftig kritisiert. Auch das zeige, wie die Arbeit des Ausschusses von der ÖVP torpediert werde. Da sind sich SPÖ, FPÖ und Neos einig:

Es wurde noch nie ein U-Ausschuss so heftig bekämpft wie dieser.

Ärger über grüne Justizministerin

Stefanie Krisper von den Neos zeigte sich überdies verärgert, dass die grüne Justizministerin Alma Zadić nicht durchgreife. Es würden die Einvernahmeprotokolle von ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz durch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKSta) sowie die Chats von Kurz mit seinem ehemaligen Vizekanzler Heinz-Christian Strache fehlen. Boykottiere man hier weiter, würde man, so Krisper, wieder den Gang zum Verfassungsgerichtshof (VfGH) antreten müssen.

Nabelschau der Vorgänge in der Republik

FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker sagte gegenüber vienna.at, dass sich der Ausschuss anders entwickelt habe, als er einberufen worden war.

Es ist eine Nabelschau zu den Vorgängen in der Republik und speziell in der ÖVP. Es wird nicht der einzige U-Ausschuss bleiben, um alles aufzuarbeiten, was auf uns hereinprasselt.

Großen Aufklärungsbedarf sieht Hafenecker vor allem rund um die „Immobiliengeschichte und das Bundesrechenzentrum“. Damit sind die sogenannten „Geheimprojekte“ des früheren Generalsekretärs im Finanzministerium und nunmehrigen ÖBAG-Chefs Thomas Schmid gemeint. Nämlich dessen Vorbereitungsarbeiten zur Privatisierung der ARE (Austrian Real Estate GmbH) auf Basis des Bundesrechenzentrums (BRZ), in dem alle Daten der Österreicher gespeichert sind. Darüber zeigte sich auch Jan Krainer von der SPÖ verwundert:

Das ist die größte Überraschung. Mit dem habe nicht einmal ich gerechnet.

Kurz, Blümel und Julian H. werden geladen

Im Jänner 2021 geht der Ausschuss weiter – und es ist davon auszugehen, dass Bundeskanzler Kurz und sein Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) neuerlich geladen werden. Blümel lieferte schon einmal ein jämmerliches Schauspiel ab, als er sich bei der Befragung 86 (!) Mal nicht erinnern konnte, etwa auch daran nicht, ob er einen Laptop besessen hatte.

Zusätzliche Brisanz in den U-Ausschuss dürfte auch die Befragung des in Deutschland verhafteten mutmaßlichen Drahtziehers des „Ibiza“-Videos, Julian H., bringen. Bisher hatte der U-Ausschuss keine Adresse von diesem Mann, jetzt aber weiß man, wo er sich aufhält – und nun kann ihm auch eine Ladung zugeschickt werden, die sogar sicher den Adressaten erreicht.

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