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Polizei

Die Polizisten könnten bei den Demos nur für Ordnung sorgen, statt die Eskaltions-Strategie von ÖVP-Innenminister Karl Nehammer zu befolgen.

19. Feber 2021 / 14:08 Uhr

Die Polizisten erfüllen ihre Pflicht als Instrumente eines Innenministers, der “Kurz muss weg”-Rufe nicht hören will

Wer ein Freund von Law & Order ist, hat leicht zwiespältige Gefühle, wenn sich die innere Sicherheit gegen ihn selbst kehrt. Genau so wird sie aber vom autoritären Kurz-Regime instrumentalisiert. Der Geschäftsführr und Herausgeber der “Freilich Medien GmbH”, Heinrich Sickl, hat dazu einen Kommentar verfasst, der auch in der Tagesstimme erschienen ist.

Gastkommentar von Heinrich Sickl

„Danke, Polizei“, rufen die Demonstranten. Und eigentlich haben sie keinen Grund, der Exekutive zu danken. Denn die ist weder da, um die Demonstration zu schützen, noch um sicherzustellen, dass sie nicht angegriffen wird – wobei die Polizei gegen linksextreme Blockaden vorgeht, aber nicht wegen der Demonstrationsfreiheit, sondern, weil diese die Lage sinnlos eskalieren könnten. Das Gegenteil ist wahr. Die Polizisten erfüllen ihre Pflicht als Instrumente eines Innenministers, der den Ruf „Kurz muss weg“ nicht tausendfach von über den Ring ziehenden Menschen hören will, schon gar nicht am Parlament vorbei. Was gäbe das denn für Bilder, was wäre das für eine „Message Control“?

Diszipliniert die Bösen

Die Exekutive besteht aus Pflichterfüllern. Hinter den Masken erkennt der Demonstrant nicht, ob sie sich freuen, oder mit Abscheu erfüllt sind. An der späteren Straßensperre sieht der Beobachter jedoch, dass es durchaus individuellen Spielraum gibt: Da und dort winkt ein Polizist einen Demonstranten schnell durch. Bei anderen geht gar nix. Im Kern aber tut die Polizei, was sie tun muss – sie folgt. Das Schema bei den Corona-Demos in Wien ist dabei eines einer “Low-Level-Eskalation”. Die erste Demonstration hat in ihrer Größe und Wucht – „Kurz muss weg“ tausendfach – die politisch Verantwortlichen wohl überrascht. Die zweite Demonstration hätte dann eigentlich überhaupt nicht stattfinden sollen, weil alles verboten war. Das Innenministerium hat mit ein paar hundert störrischen Manifestanten am 16. Jänner am Maria-Theresien-Platz gerechnet, die es einfach locker einkesseln kann, um sie dann alle mit einem Strafzettel nach Hause zu schicken. Ruhe! Diszipliniert die Bösen. Oder wie Mao es gesagt hätte: Bestrafe einen, erziehe hundert.

4.000 Menschen eingekesselt

Aber siehe da, sogar die linken Freunde wundern sich über den „autoritären“ Österreicher, der sich plötzlich als tendenziell Obrigkeitshöriger wenig um die Meinung des Innenministeriums schert. Statt 400 Demonstranten – wie das Innenministerium anfangs beschwichtigt hatte – waren in dem Kessel plötzlich mehr als 4.000 Menschen, die auch nicht weg konnten, weil sie ja eingekesselt waren und ziemlich blind von Greiftrupps der Polizei drangsaliert wurden. Nachdem das ein solides Patt ergab, kamen dazu noch tausende Demonstranten, die gegen die Regierung wegen ihrer wirtschaftlichen und “Lockdown”-Maßnahmen auf die Straße gingen, die aber nicht mehr in den Kessel gelangten. Plötzlich war die Polizei eingekesselt, und von außen begannen Demonstrationen, denen sich die aus dem Kessel befreiten Menschen anschlossen, in mehreren Zügen bis tief in die Nacht durch die Stadt zu wandern und den Verkehr lahmzulegen. „Kurz muss weg“, haben Sie das die ganze Zeit gehört, Herr Innenminister?

Wieder Demo-Verbote

14 Tage später, neues Spiel. Das österreichische Innenministerium zieht die Karte: Alles verboten! Folgt die Bevölkerung? Nein, tut sie nicht. Aus einer Kleinkundgebung am Karlsplatz wird eine Großversammlung. Die neue Strategie der Polizei: Sie zieht in Vierergruppen durch die Menschenmenge, straft ab, wer keine Maske oder auch die falsche hat. FFP2 ist Freiheit. Am Ende des Tages meint die Exekutive, sie habe rund 1.600 Anzeigen bei 2.000 Demonstranten ausgeteilt. Das kann sie Nehammer erzählen, um ihn zu beruhigen. Allein die Zahl der Anzeigen lässt auf eine deutlich höhere Anzahl von Demonstranten schließen. Nach der demonstrativen Auflösung dieser Versammlung sollten alle nach Hause gehen. Schnelle Blockaden sollten eine neuerliche Demonstration vermeiden, so die Strategie der Polizei. An ihnen vorbei schlängelten sich die Menschen und setzten sich vor der Oper auf den Ring, um mit einem mächtigen Zug Richtung Parlament zu ziehen. Will man dort „Kurz muss weg“ hören. Igitt, das wäre ja eine Blamage für den Innenminister, der an Erfolgen sowieso nicht gesegnet ist.

Die brave Polizei blockt also den Zug, als er fast das Kunsthistorische erreicht hat. In dem Moment ist er bei der Oper noch nicht einmal vollständig um die Ecke gebogen. Von wegen 2.000 Demonstranten, hier ist mindestens das Vierfache unterwegs. Die seltsam geführte Polizei blockiert auch die Seitengassen. Und, siehe da, auch von hinten werden Kräfte zugeführt – und der Kessel ist wieder vollständig. Alles, was danach passiert, liegt in der Verantwortung der Polizei, die diesen Zug eingekesselt hat – und keine Strategie hat, ihn „Ex“ zu machen, weil es wahrscheinlich zehnmal so viel Menschen wie Polizisten waren. An den Sperren diskutieren Demonstranten mit Polizisten, dass sie ja nichts dafür können… Nun, es ist eher ein Monolog mit Maskenträgern.

Polizisten werden freundlich zur Seite geschoben

Fünf Freunde und Helfer sichern die kleine Seitengasse neben der Albertina. Sie haben keine Chance gegen Demonstranten, die sie freundlich zur Seite schieben und in die Freiheit der Innenstadt entfleuchen. In einem Zug, in zwei oder drei… Ab dem Moment fließt es nur noch, die ganze Demo entschwindet wie durch ein Abflussrohr in die Wiener Innenstadt. Unkontrollierbar spontan. Die Polizei – Freund und Helfer – versucht meist nicht, wie sie jetzt erklärt, die Züge, über die sie jetzt jede Kontrolle verloren hat, „die Verhältnismäßigkeit beachtend“ zu begleiten. Sie blockiert, sie kesselt, sie scheitert. Sie schenken auch dem Mitläufer Gottfried Küssel einen Demonstrationszug, der hat sich einfach irgendwo ganz vorne an die Spitze gesetzt. Zwei Meter hinter ihm weiß keiner mehr, wer der alte, weiße Mann mit dem Megaphon ist, 700 Meter Demonstranten folgen ihm. Im Standard kriegt er gleich wieder seine Biografie geschrieben… Dabei ist er nur ein Mitläufer, irrelevant für den Gang der Dinge.

Gescheiterte Polizeistrategie

Das Wiener Chaos am Abend des 31. Jänner ist das Ergebnis einer vollständig gescheiterten Polizeistrategie. Die Freundschaft der Demonstranten zum Innenminister nimmt ab, erstmals hat man den Ruf „Nehammer muss weg“ gehört. Seine willigen Helfer stellen fest, dass tausende Demonstranten nach stundenlanger Gängelung keine Lust mehr auf Kooperation haben. Die Wiener Innenstadt versinkt im Chaos, das Innenministerium lügt etwas von 2.000 Demonstranten und „alles im Griff“. Die Mainstream-Medien nehmen ihm das ab… Böse freiheitsliebende Demonstranten, „Neonazis und Tiroler“. (Letztere werden demonstrativ gekesselt und bei An- und Abreise besonders überprüft: Alles stimmt, von allen Tirolern war anscheinend nur eine Person nicht getestet.)

Für Menschen, die Recht und Ordnung mögen, sind es trotzdem spannende Lektionen, die sie lernen können: Die Polizei erfüllt ihre Pflicht. Das ist gut so. Rechte Menschen und brave Bürger neigen dazu, die Polizei für gut zu halten und folgsam zu sein. Linke Bürger halten die Polizei für „rechts“ und damit tendenziell für einen „bösen Gegner“. Die Befehlsempfänger mit der seltsamen Strategie bekommen ihre Befehle von der politischen Führung. ÖVP-Innenminister Nehammer, der Glücklose, versucht, einen rechtsautoritären Kurs zu fahren. Der türkise Fanclub sieht sich zwar ansonsten als irgendwie „Mitte“, in Sicherheitsfragen aber bauen sie ein “Standing” auf, das „rechts“ ist, weil sie wissen, dass Österreicher in der Masse weder illegale Einwanderung, noch Islamismus wollen.

Verantwortung liegt bei der Polizei

Die Regierung will auch keine machtvollen Demonstrationen gegen “Lockdown”-Maßnahmen, die Menschen die Freiheit und der Wirtschaft die Zukunft nimmt. So produziert Nehammer eine konsequente Sicherheits-Simulation. Und die Demonstranten proben einen Aufstand gegen Türkis-Grün: Was an ihnen wesentlich ist, sind nicht die Ränder, die man sieht – Coronaleugner, Alternative, Jugendkulturen – sondern der breite Strom an Bürgern, die aus Sorge um das Land auf die Straße gehen. Und hier geht es nicht gegen die Polizei, aber sie wird zunehmend bedeutungslos, weil sie nur die Herrschenden vor Protest schützt. Ziviler Ungehorsam ist, trotz Vorboten da zu sein: Kurz muss weg. Die Freiheit für die Demonstration über den Ring ist ein mächtiges Gefühl. Das Erstaunliche ist, wie viele Menschen das, was die Polizei hier durchsetzt und die Regierung als Ziel setzt, als Repression empfinden. Und trotzdem kommen. Und die Polizei? Sie könnte sich ihnen anschließen und einfach nichts tun, als für Ordnung zu sorgen. Und ein freier Zug mit genügend Abständen würde freundlich über den Ring ziehen und sich Kurz und Nehammer wegwünschen. Aber so: liegt die Verantwortung bei der Polizei.

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