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Der türkische Präsident Erdoğan will zahlreiche Diplomaten, die seine Politik kritisieren, ausweisen lassen – darunter auch deutsche und amerikanische.

22. Oktober 2021 / 19:56 Uhr

Nach Kritik an Justiz-Skandal: Erdoğan droht zahlreichen Botschaftern mit Ausweisung

Zahlreiche westliche Botschafter kritisierten die Türkei für die Nichtumsetzung eines EGMR-Urteils und damit verbunden für die Nichtfreilassung eines politischen Gefangenen. Daraufhin tobte Präsident Recep Tayyip Erdoğan und drohte den Diplomaten mit der Ausweisung.

Kritiker hätten keinen Platz in seinem Land

Angesprochen wurde der Türkische Präsident auf die scharfe Kritik europäischer und amerikanischer Diplomaten von türkischen Journalisten auf einer Rückreise von einem politischen Termin in Afrika. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet, verkündete Erdoğan auf die Nachfragen wutentbrannt, dass Diplomaten, die die Freilassung von Gefangenen in der Türkei fordern, keinen Platz in seinem Land hätten:

[…] es könne einen Luxus wie diesen nicht geben, solche Leute in unserem Land ehrenvoll aufzunehmen.

Mit anderen Worten: Er droht zahlreichen Botschaftern, unter anderem dem deutschen, mit der Ausweisung. Weiters fordert er die Staaten auf, auf sich selbst zu schauen:

Wer seid ihr denn? […] Schaut nach den Banditen, Verbrechern und Terroristen in euren eigenen Ländern!

Türkei hält sich an eigene Verträge nicht

Dass es sich bei dem Gefangenen, um den es in dem Streitfall geht, um einen “Banditen, Verbrecher und Terroristen” handelt, sehen weite Teile der zivilisierten internationalen Gemeinschaft nicht so. Konkret geht es um den türkischen Philanthropen Osman Kavala, der Erdoğan-kritische Organisationen gefördert hatte. Kavala sitzt inzwischen ohne Gerichtsverfahren und Urteil seit vier Jahren in Haft. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat 2019 in einem Urteil die sofortige Freilassung gefordert. Die Türkei ignoriert das Urteil, obwohl sie sich selbst vertraglich daran verpflichtet hatte, sich an Urteile des EGMR zu halten.

Schritt wäre äußerst unverhältnismäßig

Seitdem kritisierten zahlreiche Botschafter das Verhalten der türkischen Regierung, unter anderem der deutsche und der amerikanische, denen nun Erdoğan direkt mit der Ausweisung droht. Einen Botschafter aus einem Land auszuweisen, steht grundsätzlich jedem Staat frei. Es wäre jedoch äußerst unüblich und unverhältnismäßig. Die Schließung von Botschaften, die einem Abbruch aller diplomatischen Beziehungen gleichkommt, vollziehen Staaten nur in äußersten Konfliktsituationen wie zum Beispiel im Krieg. Es ist somit faktisch kaum noch spürbar, dass die Türkei als NATO-Mitglied und offizieller EU-Beitrittskandidat auf dem Papier ein enger Verbündeter des Westens ist.

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