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EU-Sozialkommissarin Marianne Thyssen kritisiert Österreich wegen der Indexierung seiner Familienleistungen. Ihre Argumente sind jedoch vollkommen haltlos und bestehen keinen Faktencheck.

26. Juli 2019 / 09:11 Uhr

Familienleistungen: EU verliert im Faktencheck

[vc_row][vc_column][vc_column_text]Lange Zeit war es ruhig um die Indexierung der österreichischen Familienbeihilfe, die neben anderen Familienleistungen an die Kaufkraft eines Staats angepasst wurde, in dem das Kind wohnt. Die EU-Kommission hat nun angekündigt, dass das Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich fortgesetzt werden wird. Österreich, das im Jänner dieses Jahres ein Mahnschreiben erhalten hat und fristgemäß innerhalb von zwei Monaten geantwortet hat, wird nun ein zweites Schreiben erhalten. Nur ein kleines Detail am Rande: Die EU hat vier Monate gebraucht, um auf die Antwort aus Österreich zu reagieren, gibt allerdings Österreich jeweils zwei Monate Zeit, um die Mahnschreiben zu beantworten.

Die Argumentation der EU-Kommission wird von den Medien derzeit wieder einmal groß ausgeschlachtet, ohne, dass sie von Journalisten ernsthaft hinterfragt wird. EU-Sozialkommissarin Marianne Thyssen hielt fest, dass Österreich diejenigen Menschen treffe, die zum österreichischen Sozialsystem beitragen. Außerdem spuckte sie populistische Töne, wie etwa: „Es gibt keine Arbeiter zweiter Klasse und es gibt keine Kinder zweiter Klasse in der EU!“ Thyssens Thesen sind geradezu abstrus und überstehen keinen Faktencheck. Natürlich gibt es in der EU Menschen zweiter Klasse – und sogar viel mehr, weil nämlich die Familienleistungen in den 32 Mitgliedstaaten allesamt unterschiedlich geregelt und weitaus unfairer sind als in Österreich. Dazu aber später.

Argumentation mit dem Sozialsystem gleich mehrmals falsch.

Gehen wir zuerst darauf ein, dass behauptet wird, dass die Menschen getroffen werden, die in das österreichische Sozialsystem einzahlen. Die österreichische Familienbeihilfe ist keine Leistung, die aufgrund einer Erwerbstätigkeit bezahlt wird. Eltern bekommen sie auch dann, wenn keiner von ihnen arbeitet. Die Gesetzeslage verlangt lediglich einen Wohnsitz in Österreich und eine Haushaltszugehörigkeit zu einem Elternteil. Kompliziert wird die Sache erst, wenn ein Kind in Fremdbetreuung untergebracht ist.

So skurril es klingen mag, die EU-Gesetze sehen es auch nicht vor, dass ein Ausländer, der in Österreich lebt, arbeiten muss, um eine Familienleistung aus Österreich für sein Kind im Ausland zu erhalten. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im Februar dieses Jahres festgehalten, dass das Unionsrecht nicht verlangt, dass eine Person eine Beschäftigung in einem Mitgliedstaat ausüben muss, um dort Familienleistungen für ihre Kinder zu beziehen, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen.

Was der EuGH in seiner Pressemitteilung aber nicht erwähnt, ist, dass bei einer solchen Konstellation der andere Elternteil, der mit dem Kind im Ausland lebt, einer Erwerbstätigkeit nachgehen oder einen Rentenanspruch haben muss. Diese Info wäre wesentlich gewesen. Der zuständige Ansprechpartner im EuGH hält es – trotz mehrmaliger Aufforderung – aber nicht für notwendig, eine diesbezügliche Berichtigung zu machen.

Ob übrigens Eugen Bogatu, in dem es in der EuGH-Klage geht, letztendlich auch Recht bekam, geht nicht hervor. Weder seine Anwältin, noch das zuständige Gericht in Irland und das Sozialministerium wollten diese Frage beantworten. Hat Bogatus Frau nicht gearbeitet oder einen Rentenanspruch, muss Irland dem Rumänen auch nichts bezahlen.

Arbeitnehmer finanzieren Familienbeihilfe nicht

Nun aber zurück zu Thyssens Thesen. Fakt ist, dass nicht unbedingt ein Mensch in Österreich arbeiten und folglich auch dort nichts ins Sozialsystem einzahlen muss, um eine Familienleistung für sein Kind im Ausland zu erhalten. Und selbst, wenn er es täte, so wird dem Elternteil, wenn er Arbeitnehmer ist, kein Beitrag abgezogen, mit dem die Familienleistungen finanziert werden. Es sind überwiegend Arbeitgeber, die mit einem Dienstgeberbeitrag die Leistungen wie die Familienbeihilfe finanzieren. Verdient ein Arbeitnehmer 2.000 Euro Brutto, so muss der Unternehmer 3,9 Prozent des Lohns – also fast 80 Euro –  bezahlen. Der Unternehmer hat übrigens auch andere Lohnnebenkosten. Fakt ist jedenfalls, dass es NICHT die Arbeiter sind, die in den Familienlastenausgleichsfonds einzahlen. Somit hat Thyssen erneut nicht recht.

Wer viel einzahlt, bekommt nichts

Und nun zum Argument Thyssens, dass es in der EU weder Arbeiter noch Kinder zweiter Klasse gäbe. Bitte, wo lebt diese Frau? Die EU-Verordnungen 883/2004 als auch 987/2009, die auch Familienleistungen koordinieren, gelten für derzeit insgesamt 32 Staaten. Allesamt haben sie unterschiedliche Gesetze. Und viele Staaten haben Regelungen, die man als unfair bezeichnen könnte. Anders als in Österreich haben die meisten Staaten einkommensabhängige Familienleistungen. Verdienen Eltern zu viel, so kann dies dazu führen, dass dieses hohe Familieneinkommen den Bezug einer Familienleistung ausschließt. Das heißt, Menschen, die viel ins Sozialsystem einzahlen, bekommen kein Geld, weil der Gesetzgeber meint, dass Eltern finanziell in der Lage seien, ihre Kinder zu versorgen.

Dies führt dann erst zu besonders abstrusen Ergebnissen. In Polen etwa gibt es einkommensabhängige Familienleistungen. Verdienen Vater und Mutter in Polen zu viel, gibt es kein „Kindergeld“. Wird aber der Vater zu einer Firma nach Österreich überlassen, so muss Österreich seine Familienleistung in voller Höhe überweisen, während Polen nichts bezahlen muss. Selbst wenn der Vater in Österreich nicht arbeitet, die Mutter in Polen so gut verdient, dass ihr in Polen keine Familienleistung zusteht, so muss Österreich voll zahlen.

Wieviel ist ein Kind in Rumänien wert?

Soviel also zur Zweiklassen-Gesellschaft. Und überhaupt, wenn Thyssen betont, dass es eine solche nicht gäbe, dann stellt sich die Frage, warum etwa Rumänien umgerechnet gerade einmal zwischen 15 und 25 Euro pro Kind an Familienbeihilfe gewährt, während Österreich vor der Indexierung ein Vielfaches überwiesen hat? Wenn man bedenkt, dass Österreich seit der Indexierung noch immer mindestens 85 Euro an Familienbeihilfe plus Kinderabsetzbetrag monatlich pro Kind bezahlt, so ist das weitaus fairer als das, was Rumänien gewährt.

Warum „benachteiligt“ die EU ihre Beamten?

Und wo wir doch gleich bei der Zweiklassengesellschaft sind. Wenn es so unfair ist, dass Familienleistungen an die Kaufkraft des jeweiligen Landes angepasst werden, warum macht dies die EU bei ihren Beamten? Unlängst hat unzensuriert berichtet, dass es einen „Korrekturfaktor“ gibt, der bei Beamten je nach Mitgliedstaat einen Eingriff in Familienleistungen vornimmt aber auch den gesamten Gehalt (!) und andere Zulagen an die Kaufkraft des Landes anpasst. Die EU als supranationaler Staat erlaubt sich Regeln, die sie ihren Mitgliedstaaten verbieten will und übertrifft sich dabei in vielfache Hinsicht. Gesetzlich geregelt ist das alles im Beamtenstatut der EU.

Dass die EU-Kommission es nun wagt, Österreich wegen seiner Gesetze anzugreifen, ist angesichts des Faktenchecks, den die EU in jedem Punkt verloren hat, die reinste Farce.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column][vc_separator color=”turquoise”][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column][vc_wp_text]Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, unterstützen Sie bitte das Projekt unzensuriert mit einer Spende. Per paypal (Kreditkarte) oder mit einer Überweisung auf AT58 1420 0200 1086 3865 (BIC: EASYATW1), ltd. Unzensuriert[/vc_wp_text][/vc_column][/vc_row]

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