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Rouletttisch

Jericho-Casino-Abenteuer: Seit dem Jahr 2000 rollt keine Kugel mehr auf den Roulette-Tischen, den Betreibern entgehen bis zu 700.000 US-Dollar Umsatz täglich.

16. August 2019 / 15:26 Uhr

Der wahre Casino-Krimi – das schwarz-rote Milliarden-Desaster in Jericho

Die aktuelle Diskussion rund um angebliche Mauscheleien um das Glückspielmonopol lenkt ab von tatsächlich stattgefundenen dubiosen Geschäften im Umkreis von Schwarz-Rot in den letzten Jahrzehnten, etwa, wenn es um die teilverstaatlichte Casino Austria AG geht. Das Online-Portal www.spieler-info.at veröffentlichte etwa am 23. Juli eine interessante Information unter dem Titel „Warum ein Casino im Westjordanland das Schweizer Bundesgericht beschäftigt“.

In diesem Wirtschaftskrimi der Sonderklasse wird über die Klage einer liechtensteinischen Firma gegen die palästinensischen Behörden im Westjordanland in der Höhe von 1,5 Milliarden US-Dollar berichtet:

Eine liechtensteinische Firma baute im Westjordanland ein Casino – nun verklagt sie palästinensische Behörden auf 1,5 Milliarden Dollar. Wie eine glitzernde Fata Morgana wirkte das Casino bei seiner Eröffnung. So steht es in Zeitungsberichten von damals, dem 15. September 1998. Es lag ganz am Rand der Stadt Jericho im Westjordanland auf palästinensischem Gebiet. Auf der einen Seite kilometerweite Wüste, auf der anderen ein Flüchtlingslager. Dazwischen der Spielpalast namens Oasis, bedeckt mit verspiegelten Glasscheiben, daneben ein Luxushotel. Nun, 20 Jahre später, beschäftigt das Casino das Schweizer Bundesgericht. Eine Entschädigungsforderung von 1,46 Milliarden Dollar steht im Raum. Bezahlen soll sie die palästinensische Autonomiebehörde, die Quasi-Regierung Palästinas. Dazwischen liegen Millionengewinne, Krieg, Korruptionsvorwürfe und ein Gerichtsprozess gegen die Bank einer österreichischen Gewerkschaft.

SPÖ-naher Milliardär Martin Schlaff als Drahtzieher

Drahtzieher des Casino-Geschäfts im Westjordanland war vor rund 23 Jahren kein geringerer als der Wiener Milliardär und Sozialdemokrat Martin Schlaff. Mit an Bord waren damals die Casinos Austria AG unter dem ÖVP-Mitglied und Generaldirektor Leo Wallner sowie die risikofreudige Gewerkschaftsbank Bank für Arbeit und Wirtschaft (BAWAG) unter Generaldirektor Walter Flöttl, ebenfalls ein Mann mit SPÖ-Parteibuch. Weiter heißt es in dem Artikel:

Doch der Reihe nach. 1996 kam der österreichische Unternehmer Martin Schlaff auf die ausgefuchste Idee, im palästinensischen Gebiet des Westjordanlands ein Casino zu eröffnen. Der Konflikt zwischen den Palästinensern und Israel hatte sich entspannt, bessere Zeiten schienen bevorzustehen. Das Westjordanland brauchte nach dem Krieg dringend Investitionen. In Israel war Glücksspiel aus religiösen Gründen verboten, die Israelis hatten aber dennoch ein Bedürfnis nach Roulette, Black Jack und Co.

Geschäftsmann Schlaff ist über eineinhalb Milliarden Euro schwer und verfügt über exzellente Kontakte in die israelische und palästinensische Politik. Die Bank Bawag, ursprünglich die Bank des österreichischen Gewerkschaftsbundes, finanzierte das Casino. Schlaff hielt über eine Stiftung Anteile. Beteiligt waren ebenso der Glücksspielkonzern Casinos Austria und eine Gesellschaft, die von den palästinensischen Behörden kontrolliert wird.

Jericho-Casino mit 700.000 US-Dollar Tagesumsatz

Die Auslandsinvestition für den SPÖler Schlaff, die rote Gewerkschaftsbank BAWAG und den ÖVPler Wallner versprach, ein vielversprechendes Geschäft zu werden. Mit 1.800 Mitarbeitern wurden ab 1998 täglich 2.000 bis 3.000 Casinogäste betreut, bewirtet und „abgezockt“. Und es wurden Tagesumsätze von 700.000 US-Dollar erwirtschaftet. Dann aber kam die „Intifada“ und das Aus, wie der Artikel beschreibt:

1998 eröffnete das Casino. Der Rubel rollte. 2000 bis 3000 Gäste kamen täglich, 1800 Mitarbeiter arbeiteten im Komplex. Die Tagesumsätze sollen 700.000 Dollar betragen haben. Das gesamte Projekt machte einen operativen Gewinn von 190 Millionen Dollar. Die österreichische Zeitung «Die Presse» schrieb, dass die Investoren für 300 Millionen Dollar ein weiteres Casino mit Shops, Restaurants und Golfplatz bauen wollten. Doch dann kam der Krieg.

Im Jahr 2000 brach die zweite Intifada aus. Eine Rakete der israelischen Armee traf das Casino. Viel schlimmer wog jedoch, dass Israel aus Sicherheitsgründen seinen Bürgern verbot, das Westjordanland zu betreten. 95 Prozent der Casinogäste blieben plötzlich weg. Das Hotel blieb in Betrieb, doch die Goldgrube Casino schloss.

2012 wollte man neue Lizenzen in Jericho und klagte

Zwölf Jahre später wollten die Casino-Betreiber neue Lizenzen in Jericho. Doch gesetzliche Regelungen durch die palästinensische Autonomiebehörde stellten Glückspiel mittlerweile unter Strafe. Daraufhin klagte die Casino-Betreibergesellschaft auf eine bereits erhaltene Lizenz bis 2028 und die Zahlung von 1,46 Milliarden US-Dollar plus Zinsen als Schadenersatz. Jetzt wird das Verfahren vor einem Zürcher Schiedsgericht und dem Schweizer Bundesgericht hin und her geschoben.

Während man über einen neuen Casino-Standort in Jericho vor Gericht streitet, geistern in Österreich seit 2017 ÖVP-Geheimpläne über eine neue Monopolisierung des Glückspiels herum, die auch eine neue Behörde schaffen könnte.

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