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Peking sieht in den jüngsten Spannungen zwischen den USA und dem Iran die eigene Wirtschaft in Gefahr, doch die Hände bleiben China außenpolitisch gebunden.

13. Jänner 2020 / 12:59 Uhr

Was Spannungen zwischen den USA und dem Iran für China und Nordkorea bedeuten

Die Tragweite der Spannungen zwischen den USA und dem Iran umfassen nicht nur den Nahen und Mittleren Osten. Auch Asien spürt die Auswirkungen der jüngsten Krise, heißt es aus Expertenkreisen. China fürchtet wirtschaftliche Probleme, während Nordkorea womöglich strategische Zugewinne ins Auge fasst.

Spannungen zwischen Washington und Teheran nach Tötung eines iranischen Kommandeurs

Der Nahe und Mittlere Osten liegt ein ganzes Stück weit entfernt von Asien, insbesondere China und Nordkorea. Dennoch spüren auch diese Staaten die Auswirkungen der jüngsten Krise zwischen den USA und dem Iran. In Peking bereiten diese Spannungen der Regierung Kopfschmerzen in Hinblick auf die eigene Wirtschaft. In Pjöngjang wiederum blickt Diktator Kim Jong-Un auf diplomatisch-strategische Möglichkeiten, ja eventuell sogar Zugewinne. Die erste politisch-militärische Krise in 2020 kam auf, als US-Präsident Donald Trump die Tötung des iranischen Top-Kommandeurs der al-Quds-Einheiten der Revolutionsgarden, Qasem Soleimani, am 3. Jänner befohlen hatte. Der Iran beschoss daraufhin mit 22 ballistischen Raketen zwei Militärbasen im Irak, die US-Soldaten beherbergten. Die Lage im Nahen und Mittleren Osten gilt seither unter Experten als “extrem angespannt”.

China bereitet Lage im Nahen und Mittleren Osten “wirtschaftliche Kopfschmerzen”

Aber nicht nur im Nahen und Mittleren Osten ist die Lage angespannt. China fürchtet eine wirtschaftliche Lähmung, sollten die Spannungen zwischen Washington und Teheran weiter zunehmen, oder gar eskalieren. Es geht hauptsächlich um den immensen Ölbedarf der chinesischen Wirtschaft. Denn die Haupt-Exporteure von Rohöl an China, Saudi-Arabien und der Irak, können den Bedarf Pekings nicht sättigen. Schon jetzt gehen jeden Tag 100.000 “Barrels” Öl (1 Barrel = ca. 159 Liter) an China – und das seit Oktober 2019 im Rahmen eines infrastrukturellen Abkommens zwischen der Wirtschaftsmacht in Asien, Saudi-Arabien und dem Irak. Um den Ölbedarf zu decken, kauft China zusätzlich im sanktionsgebeutelten Iran ein. Im November 2019 waren das 539.106 Tonnen Rohöl. Weitere Sanktionen, wie jetzt durch Washington gegen Teheran verhängt, oder auch eine Zunahme bzw. Eskalation der Spannungen zwischen den USA und dem Iran würden womöglich in weniger Öl für China resultieren. Und das will und kann sich Peking nicht leisten.

Außenpolitisch sind China jedenfalls die Hände gebunden. Freilich verurteilte Peking die Tötung Soleimanis durch die USA und rief alle Seiten dazu auf, Zurückhaltung zu praktizieren. Doch mehr Hebel kann die Regierung rund um Präsident Xi Jinping nicht nutzen. Und wenngleich China zusammen mit Russland und dem Iran militärische Übungen zur See abhält, in einen militärischen Konflikt wird sich Peking nicht verwickeln lassen. Außenpolitisch gilt für China a) die Beendigung des Handelskrieges mit den USA und b) weitere diplomatische Grundsteine für das Wirtschaftsprojekt “neue Seidenstraße” im Westen zu legen. Und das “möglichst schnell und effizient”, sagt Kaho Yu, Asienexperte der Beraterfirma Verisk Maplecroft in Singapur. “China fürchtet, dass Donald Trump die chinesischen Wirtschaftsbeziehungen mit dem Iran als Druckmittel in weiteren Verhandlungen benutzen wird. Immerhin verstößt China gegen internationale Sanktionen gegen den Iran und auch US-Sanktionen bezogen auf iranische Ölexporte. Zudem exportiert China reichlich militärisches Material in den Iran.”

Nordkorea könnte durch die jüngsten Geschehnisse “Aufschwung” gewinnen

In Nordkorea bereiten die gegenwärtigen Beziehungen zwischen den USA und dem Iran der Führung rund um Kim Jong-Un keine Kopfschmerzen. Ganz im Gegenteil. Dem kommunistischen Diktator Nordkoreas dürften die Spannungen gar gelegen kommen. Bereits mit dem Ausstieg der USA aus dem Atom-Deal mit dem Iran im Jahr 2018 wurden Befürchtungen größer, dass Pjöngjang von einem bis dato ungewohnt diplomatischem Weg abweichen könnte. Die Angst stieg an, dass Nordkorea zurückkehren könnte zur Konfrontationspolitik gegenüber den USA. Diese Angst wurde gegen Jahresende 2019 verstärkt, als die Töne aus Pjöngjang gegenüber den USA wieder rauer wurden. China und Russland erkannten die Schwäche im Umgang mit Nordkorea durch Washington damals und brachten sich selbst als mögliche Schlüsselfiguren in der nordkoreanischen Denuklearisierung in Stellung. Die Aufhebung internationaler Sanktionen gegen Nordkorea jedoch scheiterte vor den Vereinten Nationen. Ende Dezember 2019 verkündete Kim Jong-Un dann eine “neue strategische Waffe”, nachdem es vermehrt Raketentests gegeben hatte.

Die Ermordung von Soleimani durch die USA könnte Pjöngjang nun noch mehr Aufschwung geben. Kim Jong-Un könnte durchaus momentan über die “Tragweite seiner nächsten Provokation” nachdenken, sagt Leif-Eric Easley, Professor für internationale Beziehungen an der Seoul Ewha University. “Pjöngjang könnte nun auf den Iran zeigen, um zu rechtfertigen, dass keine Denuklearisierung, sondern gar eine Aufrüstung stattfindet.” Kim Jong-Un kündigte ja bereits am letzten Tag des vergangenen Jahres an, dass es für sein Land “keinen Beweggrund mehr gebe”, keine “Atomwaffentests” durchzuführen. Washington hätte “freche Erwartungen”, und die “feindseligen” Sanktionen gegen Nordkorea würden dem Gesamtfall auch nicht helfen. Donald Trump gibt sich gegenwärtig jedoch wenig beeindruckt und sagte zu Reportern jüngst lediglich: “Ich denke nicht, dass Kim Jong-Un sein Wort mir gegenüber brechen würde. Möglich ist alles, aber ich denke nicht.”

China und Russland wollen USA in Verhandlungen mit Nordkorea ablösen

Experten sehen das anders. “Durch die gegenwärtige Lage zwischen den USA und dem Iran, dem Hintergrund der erneuten Spannungen und der Außenpolitik Washingtons, könnten andere Länder, die an einem Nordkorea ohne Atomwaffen interessiert sind, weniger in den guten Willen der USA vertrauen.” Dies gilt “insbesondere für China und Russland”, meint Anthony Rinna, ein Korea-Experte der Forschungsgruppe SinoNK. “China und Russland werden vermehrt versuchen, sich in Schlüsselstellungen bezogen auf Nordkorea zu begeben. Sozusagen als Alternative zu den USA, die Willens sind, andere Wege zu bestreiten als Sanktionen zu verhängen und gleichzeitig Forderungen zu stellen. China jedenfalls scheint fest daran zu glauben, dass Kim Jong-Un wesentlich williger wäre in Sachen Denuklearisierung, wenn denn die Sanktionen endlich einmal gelockert würden.”

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