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Wegen der “Bruno Gregoretti” der Küstenwache soll Salvini 15 Jahre ins Gefängnis.

21. Jänner 2020 / 15:02 Uhr

Mutig: Gericht will Salvini hinter Gitter bringen – und er sucht die Konfrontation

Matteo Salvini, Italiens populärer Ex-Innenminister, sucht die nächste Konfrontation mit dem politischen Establishment, nachdem man ihm keine Neuwahlen gewährt hatte und er daraufhin als Minister und Vize-Regierungschef abgesetzt wurde.

Antrag auf Aufhebung seiner Immunität

Die italienische Justiz stellte Antrag auf Aufhebung von Salvinis Immunität als Parlamentsabgeordneter, um gegen ihn wegen der Blockade des Schiffs „Bruno Gregoretti“ (Kennung CP 920) der italienischen Küstenwache mit illegalen Einwanderern („Flüchtlingen“) an Bord vorgehen zu können. Das Gericht in Catania, das im Zusammenhang mit der illegalen Einwanderung bereits negativ aufgefallen ist, indem es gegen Anweisungen des Lega-Innenministers vorging, wirft Salvini „Freiheitsberaubung“ vor.

Maßnahmen gegen Schlepperunwesen

Salvini, damals noch Innenminister, hatte das Schiff der italienischen Marine im Juli 2019 blockieren lassen, weil es 131 illegale Einwanderer an Bord hatte. Er klassifizierte das Schiff als Schlepperboot und das Transportgut als Versuch der illegalen Einwanderung. Es konnte nicht sein, dass ein Schiff der eigenen Küstenwache die Schutzmaßnahmen gegen das Schlepperunwesen umgeht. Anders gesagt: Es konnte keine Ausnahme gelten, nur weil das Schiff der eigenen Küstenwache angehörte.

Von 0.35 Uhr des 27. Juli 2019 bis zum Nachmittag des 31. Juli 2019 konnten die 131 illegalen Einwanderer nicht an Land gehen. Eine schwangere Nigerianerin wurde mit Mann und zwei Kindern aus humanitären und elf Migranten, bei denen Infektionskrankheiten festgestellt worden waren, aus sanitären Gründen an Land gelassen. Blieben also noch 116 an Bord.

Salvinis Mut in einem politischen Prozess

Salvini, überzeugt im Interesse seines Landes und zum Schutz von dessen Rechtsordnung und dessen Volk gehandelt zu haben, ist bereit, diesen Kampf in den Gerichtssaal zu tragen. Das ist hoch riskant! Denn das zuständige Gericht von Catania hat ihn im Auslieferungsantrag an das Parlament faktisch bereits, und das ist ein Paradoxon, schon schuldig gesprochen.

Die Staatsanwaltschaft selbst hatte nämlich die Archivierung beantragt, weil der Umstand, dass sich die Migranten auf einem Schiff in Sicherheit befanden und die Anweisung nur den Zeitraum betraf, bis sie in einem sicheren Hafen an Land gehen könnten (was laut Salvini aber nicht Italien sein sollte), vertretbar wäre und daher keine Freiheitsberaubung darstelle, demnach auch keine Straftat vorliege.

Die Richter in Catania sahen es anders und wollen Salvini den Prozess machen. Jedem Italiener ist klar, egal wo er politisch steht, dass es sich dabei um einen politischen Prozess handelt. Im Falle einer Verurteilung drohen Salvini bis zu 15 Jahre Gefängnis.

Eigene Partei stimmt für Immunitätsaufhebung

Um den Prozess möglich zu machen, musste zunächst das Präsidium des Italienischen Senats über den Antrag der Staatsanwaltschaft entscheiden. Die Vertreter der Regierungsmehrheit (Linksdemokraten, Fünf-Sterne-Bewegung und Linksradikale und Renzis neue Partei Italia Viva) bekamen kalte Füße. Die Linke brüllte zwar damals von Machtmissbrauch, „Weg in die Diktatur“, Verletzung der Menschenrechte und ähnliches, doch sie fürchtet nun, dass Salvini durch den Prozess mehr Nutzen als Schaden erwächst.

Die Vertreter des politischen Establishments blieben daher der Abstimmung fern, anderes blieb ihnen auch nicht mehr übrig. Die Vertreter der Lega waren daher ausschlaggebend und stimmten für die Aufhebung der Immunität von Salvini, die damit mehrheitlich beschlossen wurde. Am 17. Februar muss nun auch das Plenum des Senats darüber befinden, damit Salvinis Immunität tatsächlich aufgehoben wird.

Parteien im Wahlkampffieber

Es sind solche Schritte nach vorne, die Salvinis Aura ausmachen. Nicht kneifen.

Das Handeln auf der Rechten wie auf der Linken ist von der Schlussphase des Wahlkampfes zu den Regionalwahlen in Kalabrien und vor allem der Emilia-Romagna bestimmt, die beide am kommenden Sonntag stattfinden werden.

Beide Regionen haben Linksregierungen, beide Gouverneure (Landeshauptleute) gehören den Linksdemokraten (PD) an. Die Wahlen in der Emilia-Romagna hätten eigentlich schon im vergangenen Herbst stattfinden müssen, aber das schien der Linken viel zu riskant, weil die Umfragewerte für Salvinis Lega besonders gut waren. So verzögerte der PD die Wahl bis ins neue Jahr.

Wechselregion und tiefrotes Land

Während Kalabrien eine Wechselregion ist, was die Einfärbung betrifft, ist die Emilia-Romagna ein tiefrotes Land, um genau zu sein, der älteste rote Landstrich in Italien überhaupt, und das ununterbrochen, mit Ausnahme der 20 Jahre des Faschismus.

Den Verlust Kalabriens könnte die Linke noch verkraften, doch sie bangt inzwischen auch um den Verlust ihres Kernlandes schlechthin. Bei den Parlamentswahlen 2018 und bei den EU-Parlamentswahlen 2019 wurde Salvinis Lega zur stärksten Partei.

Ehemalige Ministerin als Herausforderin

Die Linke schickt in der Emilia-Romagna Stefano Bonaccini ins Rennen, der alle Etappen der linken Mutation PCI-PDS-DS-PD mitmachte, Ende der 1980er Jahre trat er noch in die alte Kommunistische Partei Italiens (PCI) ein. Seit 2014 ist er bereits Regierungschef der Region. Damals wurde er mit 49 Prozent der Stimmen gewählt. Das Duell (der Regierungschef wird direkt gewählt) ging Ende 2014 noch 49 zu 29 aus. Seither hat sich viel geändert.

Gegen Bonaccini schickt die Lega Lucia Borgonzoni ins Rennen. Sie trat mit 16 Jahren der Lega bei, der sie somit seit deren Anfängen angehört. Die Absolventin der Hochschule der Bildenden Künste von Bologna, die von Beruf Innendesignerin ist, war in der Regierung mit Lega-Beteiligung 2018/2019 Staatssekretärin für Kultur und Denkmalschutz. Sie kandidierte 2016 als Bürgermeisterin des „roten“ Bologna, erhielt 22 Prozent der Stimmen und kam mit dem Linkskandidaten in die Stichwahl, dem sie mit immerhin stolzen 45,4 Prozent unterlag.

Kopf-an-Kopf-Rennen

Laut Umfragen, was schon eine Sensation ist, liegen beide Kandidaten bei über 40 Prozent Kopf an Kopf. Damit wird eine Stichwahl wahrscheinlich, bei der die Linke auf die Stimmen der Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) hofft. Deren Kandidat ist laut jüngster Umfrage auf nur mehr fünf Prozent eingebrochen. Der Abstieg der M5S, die im August 2019 den Regierungswechsel von der Lega zur Linken ermöglichte und im Juli 2019 Ursula von der Leyen die nötigen Stimmen zur Wahl zur EU-Kommissionsvorsitzenden verschaffte, scheint sich unaufhaltsam fortzusetzen. Letztlich wusste nie jemand genau zu benennen, wofür diese Partei steht, weshalb sie sich in den Augen der Wähler mehr oder weniger überflüssig gemacht zu haben scheint.

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