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16. März 2011 / 00:01 Uhr

Kapeller-Rücktritt: Die großen Fische schwimmen weiter

Norbert KapellerEs ist eine unschöne Angelegenheit, sich mit dem Ausweis eines längst Verstorbenen auf einen Behindertenparkplatz zu stellen. Aber ist es ein ausreichender Grund für das Ende einer beruflichen Karriere, und sei es auch eine politische? Der Nationalratsabgeordnete Norbert Kapeller ist dem ÖVP-Schnellgericht zuvor gekommen und zurückgetreten, nachdem lokale Parteifreunde schon begonnen hatten, medial die Messer gegen ihn zu wetzen. Die Strafe für sein Vergehen hat er – oder seine Frau – längst bezahlt. Eine großzügige Spende an eine Behinderteneinrichtung hätte wohl mehr gebracht als der Funktionsverzicht. Die Debatte hatte insofern ihr Gutes, als dadurch klar wurde: Parken auf Behindertenplätzen ist kein Kavalierdelikt und für die Unbelehrbaren mit 220 Euro auch nicht ganz billig.

Kommentar von Alexander Höferl

Das „Trommelfeuer“ und die „Menschenhetze“, wie Kapeller selbst die Berichterstattung über die Affäre bezeichnet, zeigen deutlich, wie leicht es Medien gelingt, in der Bevölkerung eine hasserfüllte Stimmung gegenüber Politikern zu erzeugen, die sich einen Fehltritt geleistet haben. Seltsamerweise klappt das umso besser, je geringer die Vergehen sind. Der letzte Politiker, der von ÖSTERREICH und Konsorten aus dem Nationalrat gemobbt wurde, war der SPÖ-Abgeordnete Christian Faul. Aufhänger war eine angeblich tätliche Auseinandersetzung mit einem Pressefotografen im Parlament. Faul hat stets bestritten, gewalttätig geworden zu sein, was ihm freilich ebenso wenig genützt hat wie Kapeller die Beteuerung, seine Frau habe das Auto falsch geparkt.

Norbert Kapeller

Norbert Kapeller

Die ÖVP sah der Jagd auf ihren Mandatar Nobert Kapeller tatenlos zu.
Foto: Parlamentsdirektion / Mike Ranz

Die großen Fische aber, die schwimmen weiter. Ein Ernst Strasser, dessen in unzähligen Mails befohlene Umfärbeaktion im Innenministerium der juristischen Verjährung anheim fiel, leitet nun die EU-Delegation der ÖVP und wird es wohl auch politisch überleben, dass er unter massiven Korruptionsverdacht geraten ist, weil er sich nach dem Versprechen üppiger Zahlungen für einen Gesetzesantrag von Schein-Lobbyisten eingesetzt haben soll. Hier gilt die Unschuldsvermutung, bei Kapeller hingegen die Sippenhaft.

Die großen Skandale, bei denen sich die Politiker die Taschen vollstopfen, kommen und gehen in den Medien. Mit Unterstützung der Schlafwagen-Justiz bleiben die üblichen Verdächtigen jahrelang auf ihren Sesseln kleben oder können sich unbeobachtet in die Ausgedinge-Anstalten der Regierungsparteien abseilen. Stichwort Genossenschaftswesen, wo es auch keinen sonderlich kratzt, dass ein ÖVP-dominierter gemeinnütziger Wohnbauträger zwei Millionen Euro verzockt hat, die seine Mieter vorher zahlen mussten. Wie viele Parkscheine hätte Kapeller mit diesem Geld kaufen können?

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Dass sich die medial gesteuerte, aber in der Bevölkerung real immer stärker vorhandene Wut auf die Politiker dann an den kleinen Fischen entlädt, liegt daran, dass die großen nie gefangen werden. Sie fressen jeden Köder vom Angelhaken und werden dabei von ihren Parteien gedeckt, während die Falschparker kalt lächelnd dem Volkszorn geopfert werden. Dafür bekommen sie dann von den Parteigranden eine Portion Respekt hinterher geworfen.

Respekt hätte sich Kapeller viel eher für seine politische Arbeit verdient, doch den verwehrte ihm die eigene Partei längst. Anstelle eines lauten und deutlichen Bekenntnisses zur Wehrpflicht, für das er als Wehrsprecher stets eingetreten war, durfte er Pröll, Spindelegger und Co. monatelang beim Herumlavieren mit schielendem Blick auf Meinungsumfragen zusehen. Anstelle des Einsatzes für die Belange der Heimatvertriebenen, deren Interessen er ebenfalls vertrat, erntete Kapeller achselzuckende EU-Hörigkeit, als in Brüssel die Benes-Dekrete für eine tschechische Ausnahme von der Grundrechte-Charta herhalten mussten. Der ÖVP-Klub hat wieder einen weniger, der beim beliebten Ritual des „Hände falten – Gosch‘n halten“ stören könnte.

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