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30. August 2010 / 09:17 Uhr

Moldawien – Ein Land auf der Suche nach seiner Identität

Fahne MoldawiensWar die Moldawische SSR noch einer der reichsten Teile der UdSSR, so ist die Republik Moldau inzwischen eines der ärmsten Länder Europas. Das Land ist seit 1992 gespalten, Transnistrien im Osten ist de facto unabhängig. Noch immer fällt es dem mehrheitlich rumänisch bevölkerten Staat schwer, seine eigene Identität zu finden.

Vom Ende der zivilisierten Welt zum Außenposten des Zarenreichs

In der Antike lag das Gebiet am Rand der römischen – „zivilisierten“ – Welt. Im 2. und 3. nachchristlichen Jahrhundert bildete sich durch Vermischung der einheimischen Daker mit römischen Soldaten und Siedlern jene Volksgruppe, die heute als Rumänen bezeichnet wird. Während der Völkerwanderung wurde die Region zwischen Dnjestr im Osten und Pruth im Westen zum Durchzugsgebiet verschiedener Völkerscharen wie Goten, Hunnen, Awaren und Bulgaren. Erst im Hochmittelalter entstand das Fürstentum Moldau, das seine Hochblüte unter Stephan dem Großen, einem Cousin des legendären Vlad Draculea, Ende des 15. Jahrhunderts erlebte.

Bereits kurz nach Stephans Tod geriet das Fürstentum unter die Oberherrschaft der Osmanen und wurde tributpflichtig. Nach 300 Jahren osmanischer Herrschaft gliederten die Zaren das Gebiet bis 1812 als Gouvernement Bessarabien in ihr Imperium ein.

Unruhige Zeiten im 20. Jahrhundert

Die Oktoberevolution brachte auch für Bessarabien große Veränderungen. Nach einer kurzen Phase der Unabhängigkeit marschierten im Dezember 1917 rumänische Truppen in das Land ein und beendeten so die anarchischen Zustände, die von Bolschewiken und Marodeuren verursacht worden waren. Nach einer Volksabstimmung im März 1918 erfolgte die formelle Vereinigung mit Rumänien; dieser Schritt wurde von der neuen Sowjetregierung allerdings nie anerkannt, die in angrenzenden Gebieten der Ukraine eine Moldauische Autonome Sozialistische Sowjetrepublik gründete.

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Im Hitler-Stalin-Pakt wurde Bessarabien erneut der UdSSR zugeschlagen, die Rote Armee besetzte das Gebiet im Juni 1940. Im Zweiten Weltkrieg konnte Rumänien das Gebiet zunächst zurückerobern, 1944 fiel es aber endgültig an die Sowjetunion. Kurz danach wurden knapp zehn Prozent der Bevölkerung deportiert, und eine starke Russifizierungswelle setzte ein, vor allem in den östlichen Gebieten jenseits des Dnjestr.

Eigenständigkeit oder Wiedervereinigung mit Rumänien?

Demonstranten in Chisinau mit rumänischer Fahne

Demonstranten fordern in der moldawischen Haupstadt Chisinau die Vereinigung mit Rumänien.

Nach der wieder gewonnenen Unabhängigkeit 1991 wurden rasch Stimmen laut, die mit Hinblick auf Deutschland ebenfalls eine Wiedervereinigung mit Rumänien forderten. Die Moldauer gehören zum Volk der Rumänen, es gibt auch viele familiäre Verbindungen. 1990 und 1991 wurden am Pruth, dem Grenzfluss zwischen Rumänien und Moldawien, „Blumenbrücken“ – Demonstrationen für die Wiedervereinigung – abgehalten, an denen hunderttausende Menschen aus beiden Staaten teilnahmen. Seither gibt es immer wieder Vorstöße aus beiden Staaten, in Rumänien zuletzt 2005 als Präsident Traian Basescu eine Vereinigung vorschlug. Auch bei den Parlamentswahlen 2009 war die Wiedervereinigung ein Thema, wobei vor allem liberale und konservative Parteien dafür eintreten, die stimmenstärkste kommunistische Partei das Ansinnen aber ablehnt.

Der Transnistrienkonflikt

Transnistriens Präsident Igor Smirnov mit Dimtrii Medwedev Im Gegensatz zum Rest des Landes stellen Rumänen in Transnistrien – Mehrheit Russen und Ukrainer – und Gagausien – Mehrheit Gagausier – nicht die Bevölkerungsmehrheit. Die Einführung von Rumänisch als Amtssprache und die erwähnten Ansätze zu einer Vereinigung mit Rumänien führten zu massiven Konflikten mit diesen Minderheiten. Der Situation mit den Gagausiern im Süden entspannte sich, nachdem ihnen 1994 große Autonomierechte eingeräumt worden waren. Im Gegensatz dazu brach in Transnistrien 1992 ein offener Bürgerkrieg aus, der de facto zur Abspaltung dieses wirtschaftsstarken Gebietes führte. In Transnistrien sind russische Truppen stationiert. Ob diese in die Kampfhandlungen zugunsten der transnistrischen Separatisten eingriffen, ist unklar. Russland unterhält jedenfalls enge Kontakt zu Transnistrien, wie auch das Foto des russischen Präsidenten Dimitrij Medwedew mit seinem transnistrischen Gegenüber Igor Smirnov zeigt. Von den wirtschaftlichen Schäden des Konfliktes hat sich Moldawien bis heute nicht erholt.

Wein und Klöster

Weinkeller in MoldawienWein ist der Hauptexportartikel im landwirtschaftlich geprägten Moldawien. Der Weinanbau hat große Tradition in dieser Region und reicht Jahrtausende zurück. In der Antike brachten die Griechen die Technologie der Weinherstellung in das Gebiet, aus der Römerzeit ist reger Weinhandel in das Imperium dokumentiert. Zu Sowjetzeiten wurde das Land zum „Weinkeller der UdSSR“, und noch heute ist Russland der mit Abstand größte Abnehmer für moldawischen Wein. Neben heimischen Sorten werden auch internationale Reben und Direktträger angebaut. Der zweite Sonntag im Oktober ist seit 2002 nationaler Weintag, an dem im ganzen Land zahlreiche Weinfeste stattfinden.

Curchi Kloster in MoldawienAn den unzähligen Klöstern und Kirchen im ganzen Land (im Bild das Churchi Kloster) spiegelt sich die wechselvolle Geschichte Moldawiens wieder. Obwohl die christlich-orthodoxe Kirche dominiert, weisen viele sakrale Bauten stilistische Elemente der katholischen Kirche auf, die auf Einflüsse aus Österreich, Polen und der Ukraine zurückzuführen sind. In Gebäuden aus dem 19. Jahrhundert ist dagegen die russische Dominanz stark spürbar.

Moldawien oder Rumänien?

Ob Moldawien sich als eigener Staat etablieren kann oder es doch zur Vereinigung mit Rumänien kommt, steht in den Sternen. Die Wirtschaftskrise hat die Befürworter einer Vereinigung mit dem EU-Mitglied Rumänien wieder gestärkt. Ob der Transnistrienkonflikt gelöst werden kann, hängt ganz maßgeblich von der Haltung Russlands ab, ohne dessen Schutz der Separatistenstaat nicht lebensfähig ist.

20 Jahre nach dem Kommunismus

Dies ist der letzte Bericht einer Serie über die Nachfolgerepubliken der Sowjetunion 20 Jahre nach dem Zusammenbruch des Kommunismus. Bisher erschienen sind:

Estland – Der baltische Tiger

Lettland – Das Land der Ordensitter und der Lieder

Litauen – Europäische Zukunft nach wechselvoller Vergangenheit

Armenien – Der älteste christliche Staat

Aserbaidschan – Das schwarze Gold von Baku

Georgien – Stalins unbotmäßige Söhne

Tadschikistan – Das Armenhaus Zentralasiens

Kirgisistan – Jurten im Himmelgebirge

Weißrussland – Europas Stiefkind

Usbekistan – Das stolze Erbe Tamerlans

Turkmenistan – Das Reich des "Turkmenbashi"

Die Ukraine – zerrissenes Land zwischen Ost und West

Kasachstan: Von Stalins Völkerkerker zum begehrten Handelspartner

20 Jahre danach: Russland am Scheideweg

Fotos: Wikimedia / Presidential Press and Information Office / Serhio / Ion Bostan

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