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26. Juli 2011 / 06:55 Uhr

Meinungs- und Pressefreiheit für Rechte als Bedrohung

CampusSollen Studenten der Bundeswehruniversität München die rechtskonservative Wochenzeitung Junge Freiheit lesen oder gar für diese schreiben? Sollen Themen in einer Studentenzeitschrift kontrovers behandelt werden? Besser nicht, wenn es nach der Präsidentin der der Universität der Bundeswehr München, Merith Niehuss, geht.

Studentenzeitung mit neuem Chefredakteur – Stein des Anstoßes

Campus

Campus

Stein des Anstoßes: Die Studentenzeitung der Bundeswehr-Uni.
Foto: Titelseite Campus

Die Zeitschrift der Studenten an der Bundeswehruniversität heißt Campus, ihr Chefredakteur wird vom studentischen Konvent, der Studentenvertretung der Universität gewählt. Seit Frühjahr diesen Jahres heißt der Chefredakteur Martin Böcker, Oberleutnant der Bundeswehr. Daneben ist er – einer der "Anklagepunkte" – Autor in der Sezession, herausgegeben vom Institut für Staatspolitik IfS, und der Jungen Freiheit; beide Publikationen bewegen sich im konservativen, rechtsliberalen Spektrum der bundesdeutschen Medienlandschaft.

In der Ausgabe 1/2011 vom 20. Juni widmet sich Campus unter dem Titel „Die Frau als Kämpferin“ der Frage des Einsatzes von Soldatinnen bei der Bundeswehr. In zwei Kommentaren von Studenten kommen ein Gegner und ein Befürworter von Frauen in der Armee zu Wort. Im Vorwort äußert sich der Chefredakteur mit folgenden Worten zu diesem Thema: „Wir fassen auch das heiße Eisen der misslungenen Integration der Frau in den Streitkräften an: Bei Lob und Kritik gilt die Diskussion jeweils der Struktur, nicht der Kameradin – auch ihr Dienst ist dankenswert, edel und gut.“ Außerdem gibt es in der Ausgabe, ein Inserat des Institutes für Staatspolitik, in dem den Studenten eine kostenlose Broschüre zu dem Thema angeboten wird.

Der Präsidentin „missfällt es sehr“

Am 7. Juli teil Präsidentin Niehuss in einem Rundmail an alle Studenten und Lehrenden ihren Unmut über die Ausgabe von Campus mit; sie schreibt:
„Weder die ,Junge Freiheit' noch das ,Institut für Staatspolitik' sind derzeit Objekt der Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Somit kann der Bezug der Schriften grundsätzlich jeder und jedem Einzelnen, auch jeder und jedem einzelnen Studierenden, nicht untersagt werden. Ich möchte dennoch darauf hinweisen, dass nach meiner Auffassung hier eine politische Nähe zum Rechtsextremismus nicht auszuschließen ist und dass diese Affinität zur ,Neuen Rechten', die mit der Schaltung der Anzeige in unsere Universität einzieht, eine politische Richtung auf den Campus bringt, die weder an der Universität noch auch im Bereich des Bundesministeriums der Verteidigung hingenommen werden kann.“

Bundeswehr-Universität

Bundeswehr-Universität

Die Leitung der Bundeswehr-Universität fiel ihren Studenten in den Rücken.
Foto: High Contrast / WIkimedia (CC BY 3.0)

Am 14. Juli werden Campus und Chefredakteur Böcker auch für den Bayrischen Rundfunk BR zum Thema. Unter dem Titel „Unterlaufen Neonazis Studentenzeitung?“ wird auf die investigative Arbeit der beiden BR-Reporter, die diesen Skandal aufgedeckt hätten, hingewiesen: Robert Andreasch und Thies Marsen.

Neben der Verbindung zur JF und zum IfS wird auch eine Kranzniederlegung in München erwähnt, an der Böcker teilgenommen habe. An dem Gedenken für den Philosophen Oswald Spengler – dies wird nicht erwähnt – hätten auch „Neonazis“ teilgenommen; dieser Vorwurf wird jedoch nicht näher konkretisiert. Überhaupt wird Böckers Wahl zum Chefredakteur als Teil eines Planes des IfS dargestellt, die Bundeswehr gezielt zu unterwandern. Während der Campus-Redaktion nicht die Möglichkeit zu einer Stellungnahme eingeräumt wurde, kommt Rektorin Niehuss zu Wort, um ihr Missfallen auszudrücken und Böcker vorzuwerfen, „die Tendenz zu haben, sich von den Grundsätzen der Verfassung zu entfernen“. Die Rektorin habe laut Beitrag überhaupt erst durch die Tätigkeit der beiden BR-Reporter vom Inhalt der Campusausgabe und Böckers Hintergrund erfahren.

Linksextremer Hintergrund der BR Reporter

Andreasch, der in Wahrheit Tobias Raphael Bezler heißt, arbeitet eng mit dem Münchner Antifaschistischen Informations-, Dokumentations- und Archivstelle (a.i.d.a.) zusammen, welche – im Gegensatz zu Junger Freiheit und Institut für Staatspolitik – vom bayrischen Verfassungsschutz wegen linksextremer Tendenzen beobachtet wird. Marsen schreibt für die Zeitung „jungle world“, die der „antideutschen“ Strömung des Linksextremismus zugerechnet wird. Gegenüber der Süddeutschen Zeitung sah sich der Bayrische Rundfunk auch genötigt, eine Erklärung abzugeben, in der er zu den beiden Reportern auf Distanz geht; der Sprecher des BR fand die Recherche dennoch interessant.

Etablierte Medien stürzen sich auf das Thema

In kurzer Folge werden die Studentenzeitschrift und ihr Chefredakteur zum Thema einiger etablierter Medien Deutschlands. Nach der Süddeutschen Zeitung (14. 7.) widmen sich auch Die Welt (14. 7.), Der Spiegel (20. 7.) und schließlich unter dem Titel „Angriff auf Busen und Bundeswehr“ die Münchner Abendzeitung (22. 7.) der Angelegenheit. Neben der Betätigung für vorgeblich rechtsextreme Medien werden Böcker vor allem Frauenfeindlichkeit und ein rückwärtsgewandtes Weltbild vorgeworfen. Keine der vier Zeitungen erwähnt allerdings den oben zitierten Teil des Vorwortes; auch über die Tatsache, dass ein dezidierter Befürworter von Frauen in der Armee zu Wort kommt, wird geschwiegen. Besonders interessant scheint es zudem, wenn sich Journalisten über die Ansage Böckers, den „Schutz der Pressefreiheit schamlos ausnutzen zu wollen“, erregen. Bezeichnend ein Zitat aus der Süddeutschen: „Das könnte man als rebellisches Studentenpathos abtun oder als kritische Stimme innerhalb der Bundeswehr – wäre Martin Böcker nicht in der rechten Szene aktiv.“

Viele Gegner, wenige Fürsprecher von Campus und Böcker

Wenig erstaunlich ist es, dass sich auch Politiker zu Wort meldeten. Peter Paul Gantzer, Bundeswehrsprecher der bayrischen SPD, forderte am 19. 7. Verteidigungsminister Thomas de Maiziere auf, den Vorgang zu untersuchen und gegebenenfalls disziplinarrechtliche Schritte einzuleiten. Von besonderem Interesse scheint Gantzers Engagement nach einem Besuch der Internetpräsenz seines Fraktionskollegen Florian Ritter, SPD-Landessprecher für die Bekämpfung des Rechtsextremismus. Ritter hat auf seinem Internetauftritt einen Verweis zu a.i.d.a. gesetzt, jener linksextremen Organisation, mit der auch „Aufdecker“ Andreasch/Bezler zusammenarbeitet.

Während Teile des Lehrkörpers sich der Kritik an Campus und Böcker anschlossen, fanden sich in Michael Wolffsohn und Carlo Masala, beide ebenfalls Professoren an der Bundeswehruniversität, zwei Kritiker des Vorgehens der Präsidentin, die eine Lanze für die Studenten brachen und von der Intervention als „Systembruch im Rahmen der Demokratie sprachen“. Noch wesentlich kritischer äußerte sich Patrick Bahners in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der Niehauss Vorgehen als „Rundbrief mit Prangerwirkung“ bezeichnete.

Laut Medienangaben verweigerte die Präsidentin das Gespräch mit Böcker, der sich als christlich-konservativ bezeichnet und Links- wie Rechtsextremismus in der Bundeswehr ablehnt. Zu seiner Tätigkeit bei Junger Freiheit und Institut für Staatswissenschaften steht Böcker weiterhin. Auf der offiziellen Seite der Universität findet sich weder ein Verweis zur Zeitung der eigenen Studenten noch eine Stellungnahme oder ein Bericht zu den Vorgängen.

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